Todeskleid: Thriller (German Edition)
auch er einsam war.
»Es tut mir leid«, murmelte sie.
»Schscht.« Er strich ihr über die langen schwarzen Haare. »Macht nichts.« Nach einem Moment sah er sich um. Er wünschte sich, er wäre einfach nur paranoid gewesen, aber das war er nicht. »Wir sollten lieber wieder einsteigen«, sagte er leise.
Sie krabbelte auf den Rücksitz und hielt den Kopf unten, während er den Wagen startete und den Parkplatz verließ. »Und nun?«, fragte sie.
»Gleiches Lied, nächste Strophe. Wir finden heraus, wer Crystal Jones umgebracht hat.«
Dienstag, 5. April, 20.10 Uhr
Silas senkte das Gewehr, als Grayson Smith davonfuhr, und blickte auf seine bebenden Hände. Er hatte Paige für einen kurzen Moment im Visier gehabt, aber er war nicht in der Lage gewesen, den Hahn durchzuziehen. Er hatte gerade wegfahren wollen, als sie vor Delgados Haus hielten und hineingingen. Er hatte gewartet, bis sie wieder herauskamen, und war ihnen hierher, zu diesem Burger-Laden, gefolgt. Diese Gelegenheit musste er nutzen. Heute Morgen hatte er versagt, das wollte er wiedergutmachen. Er musste sich als zuverlässig erweisen.
Aber Paige hatte sich auf den Rücksitz geduckt. Kluges Mädchen. Dass sie die Polizistin hinzugezogen hatten, beunruhigte ihn in mehrfacher Hinsicht. Sobald sein Auftraggeber das herausfand, würde es bösen Ärger geben. Blieb zu hoffen, dass der Bursche einen Plan B hatte, doch davon konnte er wohl ausgehen. Sein Auftraggeber hatte immer einen Plan B, genau wie Silas.
Deswegen war Silas überhaupt erst mit dem Mann zusammengekommen. Sein Auftraggeber war Silas’ Plan B gewesen. Jetzt bin ich in seiner Hand. Für den Rest meines Lebens.
Er hatte sie einen winzigen Moment lang im Visier gehabt, als Smith sie aus dem Wagen und in seine Arme gezogen hatte. Aber ihre Miene war ihm durch Mark und Bein gedrungen. Den ganzen Tag lang war sie so tapfer gewesen, doch nun hatte sie einfach nur Angst.
Silas’ Hände hatten gezittert. Und dann hatte er nicht mehr schießen können, ohne auch den Staatsanwalt zu treffen. Sein Arbeitgeber hätte gegen diesen Kollateralschaden wohl kaum etwas einzuwenden gehabt, aber Silas konnte sich auch dazu nicht durchringen.
Er hatte noch nie einen Freund getötet. Noch nicht. Aber vielleicht würde sich das ändern.
Er zog das Foto hervor, das er immer an seinem Herzen trug. Sein kleines Mädchen lächelte ihm entgegen. Ein Zahn fehlte, auf dem Kinn prangte ein Schokoeisfleck. Er fuhr sich mit dem Handballen über sein schmerzendes Herz. Cherri war fünf gewesen, das Foto war am vierten Juli aufgenommen worden, vor zwanzig langen Jahren. Nun war das Bild verblasst, und die Kanten waren weich geworden.
Du fehlst mir so, Kleine. Jeden verdammten Tag meines Lebens.
Er steckte das Foto zurück in seine Tasche und klappte das Handy auf. Nun lächelte ihm die Kleine seiner Kleinen zu. Violet hatte Cherris Lächeln. Er würde seine Enkelin beschützen. Und dafür sorgen, dass sie niemals die Wahrheit herausfände.
Selbst wenn das bedeutete, eine tapfere Frau zu töten, die nichts getan hatte, als zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen zu sein. Selbst wenn das bedeutete, einen Freund zu töten.
Ich habe schon wieder versagt. Aber zumindest das musste sein Arbeitgeber nicht erfahren.
Silas steckte das Gewehr zurück in den Kasten. Er zog ein aus dem Internet ausgedrucktes Bild hervor und richtete seine Aufmerksamkeit auf den nächsten Auftrag. Roscoe »Jesse« James war ein hässlicher Hurensohn, der im Laufe seiner Karriere als Mixed-Martial-Arts-Kämpfer ein paar Schläge zu viel in die Visage bekommen hatte.
James war schon oft verhaftet worden, hatte sich aber immer herauswinden können. Ein hässlicher Hurensohn mit viel Glück. Silas stieß ein bitteres Lachen aus. Nun war es mit James’ Glückssträhne vorbei.
Dienstag, 5. April, 20.15 Uhr
Er senkte sein Fernglas, als Silas davonfuhr. Ziemlich viel los hier auf dem Parkplatz, dachte er trocken, klopfte eine Zigarette aus dem Päckchen, zündete sie an und inhalierte tief.
Er hatte mehr erfahren, als er erwartet hatte. Zum Beispiel, dass Paige Holden tatsächlich etwas wusste. Und er hatte erfahren, dass die beiden heimlich, still und leise eine Polizeibeamtin auf den Plan gerufen hatten. Nicht gut.
Sie wussten also von der Beteiligung der Cops, andernfalls hätte Miss Holden schon heute Morgen alles, was sie herausgefunden hatte, der Polizei weitergegeben. Mazzetti war eine gute Wahl gewesen, zumindest für Paige
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