Todesküste
Weltgeschichte gegenüberstanden. Die Eltern glaubten fest an das,
was sie von sich gaben.
Große Jäger räusperte sich, bevor er sein Glas hob.
»Prost.«
Jackson hob ebenfalls sein Glas. »Prost.«
Dann sagte Große Jäger unvermittelt, ohne dass Lüder
ihn bremsen konnte: »Ihr Sohn ist aber nicht an einer Kriegsfront gefallen,
sondern im friedlichen Deutschland ermordet worden.«
Ein Ruck durchfuhr die beiden alten Leute. Auch Lüder
war geschockt. So durfte man nicht mit den beiden reden.
»Jethro ist als Soldat im Kampf gefallen. Wer weiß
besser als Amerika, dass die Feinde überall lauern. Auch in Deutschland ist
Krieg. Sie wollen es nur nicht wahrhaben«, erklärte Jackson mit ernster Miene.
Bevor Große Jäger antworten konnte, fuhr Lüder
dazwischen. »Sie haben uns erzählt, dass Jethro in einer Eliteeinheit gedient
hat. Diese Soldaten werden mit Sonderaufgaben betraut, die normale Einheiten
nicht übernehmen. Hat Ihr Sohn davon berichtet?«
»Oh ja«, sagte Jackson und nickte heftig. »Jethro hat
eine Spezialausbildung erhalten. Überall dort, wo es besonders gefährlich war,
hat die Hundertdreiundsiebzigste gekämpft.« Jackson hob seine Hand und ließ sie
sanft von oben auf die Tischdecke sinken. »Fallschirmspringer. Dafür muss man
besonders mutig sein.«
»Er muss tapfer gewesen sein. Wir wissen von einer
Reihe von Verletzungen.«
»Jede war eine besondere Ehre für ihn. Er hat sie mit
Würde getragen.«
»Hat Jethro manchmal Einzelheiten seiner
Kriegserlebnisse berichtet?«
»Wo denken Sie hin? Das ist doch geheim. Außerdem war
er schon lange Zeit nicht mehr zu Hause.«
»Wie lange?«
»Über zwei Jahre.«
»Ist das außergewöhnlich?«
»Schon. Das lag aber sicher an seinem Geheimauftrag.«
»Von dem Sie nichts wissen?«
Jackson schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Wussten Sie, dass ihn sein Geheimauftrag nach
Deutschland geführt hatte?«
Erneut schüttelte der alte Mann den Kopf. »Plötzlich
war Jethro nicht mehr erreichbar. Unsere Briefe wurden nicht beantwortet und
auch telefonisch hatten wir keinen Kontakt mehr. Wir haben uns große Sorgen
gemacht und geglaubt, ihm sei etwas zugestoßen. Aber die zuständigen Stellen
der Army haben uns beruhigt und gesagt, es wäre alles in Ordnung. Wir müssten
uns keine Sorgen machen.«
Sie wurden durch die Bedienung unterbrochen. Die
beiden Jacksons hatten sich für Steak entschieden. Lüder und Große Jäger hatten
sich angeschlossen. Während des Essens erstarb die Unterhaltung fast völlig.
Danach erzählte Jackson von der Kindheit seines Sohnes im »Problemdreieck« rund
um die North Capitol Street, in dem die Hoffnungslosigkeit regierte und vielen
Jugendlichen als einzige Perspektive der Weg in die Kriminalität und den
Drogenhandel blieb. Aus der Trostlosigkeit gab es im Allgemeinen kein
Entrinnen.
»Ich selbst habe mich mein ganzes Leben mit
Gelegenheitsjob durchgeschlagen«, gestand der alte Mann. »Ich habe zuerst als
Handlanger auf dem Markt gearbeitet, hier und da gejobbt und schließlich einen
kleinen mobilen Gemüsestand aufgebaut.« Er zeigte den beiden Polizisten seine
schwieligen Hände. »Jethro hätte das Geschäft übernehmen sollen. Der Junge
hätte etwas daraus gemacht. Im Unterschied zu seinen Geschwistern. Aber er hat
sich für die Armee entschieden. Und das war gut so.«
Den Rest des Abends verbrachten sie mit Small Talk.
Aus den beiden alten Leuten war nichts Gescheites mehr herauszuholen. Das lag
sicher auch daran, dass sie von der Reise erschöpft waren und deshalb dankbar
zustimmten, als Lüder zum Aufbruch mahnte.
Überschwänglich bedankte sich Jackson bei den beiden
Beamten.
»Merkwürdig, dass die Frau den ganzen Abend
geschwiegen hat«, stellte Große Jäger anschließend fest. »Die hat nicht einen
Ton von sich gegeben.«
»Die sind so erzogen, dass der Mann spricht.«
Der Oberkommissar nahm, ohne zu zögern, Lüders Angebot
an, erneut die Nacht bei ihm zu verbringen.
»Muss das sein?«, beklagte sich Margit und rümpfte die
Nase, nachdem die beiden vor Lüders Haus aufgekreuzt waren. »Das ist schon die
zweite Nacht, wo der ohne Wäschewechsel herumläuft.«
»Dafür nutzt er intensiv deine Zahnbürste und hat
versprochen, sich morgen früh mit deinen zahlreichen Duftwässerchen
einzusprühen.«
»Unterstehe dich«, sagte sie lachend und boxte Lüder
in die Seite. »Viveka hat sich bei mir beschwert. Dein Kollege wollte heute
Morgen das Bad nicht freigeben, weil er ausführlich geduscht hat.
Weitere Kostenlose Bücher