Todesküste
Was unsere
Tochter aber am meisten störte, war der grässliche Gesang. Viveka sagte, sie
habe ›La Paloma‹ noch nie so falsch gehört.«
Lüder entschuldigte sich kurz und zog sich mit seinem
Diensthandy in eine Ecke zurück.
»Hello«, meldete sich
Major Hunter kurz darauf. »Wissen Sie, wie spät es ist?«
»Für die Gerechtigkeit sind wir rund um die Uhr im
Einsatz. Insbesondere, wenn wir unsere amerikanischen Freunde im
weltumspannenden Kampf gegen alles Böse in der Welt unterstützen können«,
lästerte Lüder. »Wir sind den Hintergründen um den Mord an den beiden US -Soldaten ein Stück nähergekommen.«
»Tatsächlich?« In Hunters Frage steckte etwas
Lauerndes.
»Ja. Wir haben konkrete Anhaltspunkte, weshalb sich
die beiden Mordopfer hier bei uns aufgehalten haben.«
Der sonst so selbstsicher wirkende Amerikaner zögerte
einen Moment zu lange. Für Lüder war es ein untrügliches Zeichen dafür, dass er
den Geheimdienstler verunsichert hatte.
»Was vermuten Sie?«, fragte der Amerikaner.
Lüder lachte leise. »Darüber werden wir mit Sicherheit
nicht am Telefon sprechen. Kommen Sie morgen zu mir ins Büro. Dann können wir
unsere Erkenntnisse miteinander austauschen.«
»Ich glaube nicht, dass Sie bei diesem Geschäft
gleichwertige Ware liefern können.«
»Sie irren, Mr. Hunter. Auch in diesem Fall ist ›Made
in Germany‹ besser als das, was Sie entgegenzusetzen haben.«
»Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, mich irritieren
zu können. In Wahrheit sind Sie noch kein Stück weitergekommen.«
»Dann tut es mir leid für Sie. Wenn Ihnen nicht
bekannt ist, in welch brisanter Mission Jethro Jackson und John Tahiro
unterwegs waren, sollen Sie einmal bei Ihrer Regierung nachfragen.«
»Und Sie bei Ihrer«, entgegnete Hunter.
»Mit der habe ich gesprochen«, log Lüder. »Und die ist
maßlos entsetzt, dass ein deutscher Staatsbürger ebenfalls ermordet wurde.«
Wenn der wüsste, dachte Lüder, dass wir immer noch
nach den Zusammenhängen zwischen dem Mord in Heide und den beiden anderen
suchen, wäre er nicht so verunsichert.
»Ich wäre an Ihre Stelle sehr vorsichtig, wenn ich
mich innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik bewegen würde. Trotz
Diplomatenpass.«
»Wollen Sie mir drohen?«
»Sie haben die Möglichkeit, mit uns
zusammenzuarbeiten«, lockte Lüder.
»Ich habe nach wie vor das gleiche Ziel wie Sie. Nur
meine Wege sind andere.«
»Es gibt nur einen richtigen Weg. Und das ist der auf
dem Boden der Gesetze. Unserer Gesetze. Und wer das nicht akzeptiert,
der muss damit rechnen, dass er der legitimen Verfolgung unserer Behörden
ausgesetzt ist. Insbesondere der schleswig-holsteinischen Landespolizei«,
konnte sich Lüder den Zusatz nicht verkneifen.
»Das erschreckt mich aber fürchterlich. Insbesondere
Ihre letzte Anmerkung. Wir werden sehen.« Damit verabschiedete sich der
Amerikaner.
Als Lüder ins Wohnzimmer zurückkehrte, traf er Margit
und Große Jäger in einem fröhlichen, durch herzhaftes Lachen unterbrochenen
Gespräch an. Margit hob ihr Weinglas Lüder entgegen.
»Möchtest du auch? Oder lieber ein Bier? So wie
Wilderich.«
»Ich könnte jetzt einen Whisky vertragen.« Lüder sah
den Oberkommissar fragend an, der gerade einen herzhaften Schluck Bier trank
und dabei etwas verschüttete, als er heftig nickte und sich mit der anderen
Hand gegen die Brust tippte.
»Ich auch«, sollte das heißen.
Der Mann trank einfach alles, was in irgendeiner Weise
mit Alkohol versetzt war.
ZEHN
Es war ein weiterer schöner Sommermorgen an der Förde.
Bei einer Untersuchung zur Lebensqualität und zur Gesundheit der Bewohner war
Kiel unter den Großstädten als Sieger mit der besten Luftqualität
hervorgegangen. Diesen Umstand vermochte auch Große Jäger nicht zu ändern,
obwohl er jetzt den dritten Tag mit derselben Bekleidung herumlief und die
Folgen des gestrigen Tagesausklangs im Hause Lüders nicht nur bei empfindlichen
Nasen auf ein Rümpfen stießen. Was mochten die alten Jacksons über deutsche
Gewohnheiten denken?, überlegte Lüder, als sie das Ehepaar vor dem Hotel
abholten.
Nach einer sehr wortkargen Begrüßung herrschte auf dem
Weg zur Rechtsmedizin betretenes Schweigen im Auto. Bei einem Blick in den
Rückspiegel sah Lüder, dass Jethro Jacksons Eltern Hand in Hand saßen und sich
auf diese Weise gegenseitig stillen Trost spendeten.
Als Lüder vor der Pathologie hielt, ausstieg und die
Fondtür öffnete, schien es, als würden die beiden Amerikaner das Auto
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