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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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aber auch kein Distanzschuss.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich schätze: vielleicht zwanzig Zentimeter. Plus oder
minus.«
    »Kaliber?«
    »Wenn Sie mir das Geschoss bringen, sage ich es
Ihnen.«
    »Das kann doch nicht sein. Entweder gibt es ein
Austrittsloch, oder das Geschoss befindet sich im Körper. Haben Sie wirklich
gründlich nachgesehen?«
    »Hören Sie«, empörte sich der Arzt und zog sich Handschuhe
über. Er hielt Lüder ein zweites Paar hin. »Wenn Sie die überstreifen, können
Sie selbst eintauchen und suchen gehen.«
    Lüder verzichtete darauf, während sich der Arzt den
kleinen Schalen zuwandte. Dr. Diether holte das Untersuchungsgut nacheinander aus
den Gefäßen und ließ es durch seine Finger gleiten. »Hier.« Er zeigte dabei auf
kleine Punkte. »Das sieht aus, als wäre der Tote nicht mit einer Kugel, sondern
mit einem Sandklumpen erschossen worden.«
    »Bitte?«, fragte Lüder ungläubig. Es kostete ihn nun
doch Überwindung, seine Aufmerksamkeit auf die Details zu lenken, die ihm der
Rechtsmediziner zeigte. »Ist gut, ich glaube, das reicht«, sagte er nach der
dritten Schale.
    Dr. Diether grinste ihn an. »Na? Nächstes Mal muss
jetzt wohl Ihre Frau die Weihnachtsgans tranchieren? Kommen Sie.« Zu seinem
Mitarbeiter gewandt, sagte er: »Übernehmen Sie bitte.« Dann zog er die
Handschuhe aus, wusch sich die Hände und führte Lüder in ein Nebengelass, das
den Rechtsmedizinern als Aufenthaltsraum diente. Der Arzt griff eine
Thermoskanne. »Sie auch?«, fragte er Lüder, und als dieser den Kopf schüttelte,
schenkte er sich einen Kaffee ein.
    »Woher haben Sie den Toten eigentlich?«
    »Aus Heide.«
    Lüder erinnerte sich an die kurze Notiz in der
Zeitung. »Das ist ausgesprochen merkwürdig«, sagte er mehr zu sich selbst.
    »Ich stimme Ihnen zu. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Ich bin Mediziner. Jedenfalls werde ich die Präparate an die
Naturwissenschaftler Ihrer Kriminaltechnik weitergeben. Vielleicht haben die
schon einmal von einem Fall gehört, in dem ein Mensch mit einem Sandklumpen
erschossen wurde.«
    Lüder bedankte sich bei Dr. Diether, dass er ihn
informiert hatte. Dann kehrte er ins Landeskriminalamt zurück und suchte das
Büro von Jochen Nathusius auf. Doch der Kriminaldirektor war nicht an seinem
Platz.
    »Herr Nathusius ist in einer Besprechung des
Führungsstabes«, erklärte ihm Edith Beyer.
    Die Tür zu seinem eigenen Büro stand offen. Ein junger
Mann war damit beschäftigt, Unterlagen auf Lüders Schreibtisch zu legen.
    »Hallo, Friedhof«, begrüßte Lüder den Mitarbeiter der
Hausdienste, den man früher Büroboten nannte.
    Der mehrfach behinderte junge Mann drehte sich um. Mit
seiner Gesichtslähmung fiel ihm die klare Aussprache schwer. »Moin, Herr
Obergefreiter«, antwortete er und klatschte Lüders angebotene Hand ab. Es war
ein eingeübtes Ritual zwischen den beiden, dass Lüder Friedjofs Vornamen
verfremdete. Dafür zeigte der junge Mann unumwunden seinen Stolz, dass er sich
mit dem Kriminalrat duzte. Er versäumte nicht, in der Behörde auf seinen
»Freund« Lüder zu verweisen.
    »Wie ist es, Friedhof? Bist du künftig auch auf dem
Sportplatz, wenn die Störche gegen den VFL Wummerstedt antreten?«
    »Wummerstedt?«, fragte Friedjof gedehnt. Dann winkte
er ab. »Gibt’s doch gar nicht.« Der junge Mann war eingefleischter Anhänger der
Störche, des einheimischen Fußballklubs Holstein Kiel, die sich in der
Vergangenheit zu Friedjofs Leidwesen nicht gerade mit sportlichem Ruhm
bekleckert hatten. »Warte nur, Herr krimineller Verräter«, verhunzte Friedjof
Lüders Amtsbezeichnung, »bald sind Köln und St. Pauli bei uns zu Gast.«
    »Das ist jetzt aber bösartig«, lästerte Lüder. »Du
willst den beiden Vereinen doch nicht wirklich wünschen, dass sie so tief
abrutschen.«
    »Was kann man von einem Radfahrer schon erwarten«, spielte
Friedjof auf Lüders sportlichen Ausgleich, das Radfahren, an, wünschte Lüder
einen schönen Tag und setzte seine Runde durchs Haus fort.
    Halbherzig griff sich Lüder die Ermittlungsakte auf
seinem Schreibtisch. Es war eine Anzeige, die bei der Meldorfer Polizei
eingegangen war. Silvio Merseburger war den Behörden nicht unbekannt. Gegen ihn
hatte es in der Vergangenheit schon eine Reihe von Anzeigen wegen Verwendung
verfassungsfeindlicher Symbole und rassistischer Parolen gegeben. Jetzt war er
erneut auffällig geworden, weil er mit drei Freunden auf dem Marktplatz der
idyllischen Kleinstadt eine Handvoll

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