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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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einem
Schäferhund aufwies, und sprang ihm wütend bellend entgegen. Der Lauf des
Tieres wurde jäh gestoppt, als der Hund das Ende der Leine erreicht hatte, die
aus grob zusammengeknoteten Stricken bestand.
    Im Haus blieb alles ruhig. Niemand war zu sehen. Lüder
konnte sich allerdings dem Gebäude nicht weiter nähern. Der Aktionsradius des
Hundes war so angelegt, dass ein Besucher keinen Zugang fand.
    Aus Richtung Norden näherte sich auf der kaum
befahrenen Straße ein Fahrzeug. Ein uraltes Modell des Opel Kadett bog auf das
Grundstück ein und fuhr bis kurz vor das Haus. Dem schmutzigen orangefarbenen
Pkw mit dem eingebeulten Kotflügel und der andersfarbigen Tür entstieg ein
untersetzt wirkender Mann und blinzelte in Lüders Richtung. Er trug eine
Kampfhose in Tarnfarbe, ein durch Schweißflecken verschmutztes dunkelgrünes
Hemd, das einem Unterhemd ähnlich sah und dessen Brustseite eine Art Adler
zierte. Ober- und Unterarme waren beidseitig ebenso mit Tattoos übersät wie die
beiden Halsseiten. Aus der Distanz sah der kurz geschorene Schädel fast wie
kahl aus.
    »Herr Merseburger?«, rief Lüder.
    Der Mann sah ihn an, ohne zu antworten.
    »Sind Sie Herr Merseburger?«
    »Warum?«
    »Polizei. Kiel. Ich würde gern mit Ihnen reden.«
    »Ich aber nicht.«
    »Es wäre wichtig.«
    »Find ich nicht.«
    »Wir können Sie auch aufs Revier vorladen.«
    »Dann macht das doch.«
    »Es geht um Ermittlungen in einem Mordfall«,
behauptete Lüder.
    Doch der Mann blieb ungerührt. »Ihr spinnt doch. Zieh
Leine.«
    Lüder machte einen Schritt in Richtung des Mannes.
»Sperren Sie Ihren Hund ein«, rief er Merseburger zu. Er glaubte, den Mann nach
dem Foto aus der Akte erkannt zu haben.
    »Nee!«
    »Wir können auch andere Saiten aufziehen.«
    Silvio Merseburger drehte sich um. »Du kannst mich
mal«, sagte er so laut, dass Lüder es auch über die Entfernung deutlich
verstand. Dann verschwand er im Haus.
    Als Lüder einen weiteren mutigen Schritt in Richtung
der Eingangstür unternahm, sprang der Hofhund, der jetzt nur noch einen halben
Meter von Lüder entfernt war, wütend in die Höhe und zerrte wie wild an seiner
Leine. Dabei ließ er ein giftiges Kläffen hören.
    »Vorsichtig«, schrie ihn Lüder an. »Wenn ich zornig
bin, beiße ich zurück.« Er machte eine hastige Bewegung auf das Tier zu und
streckte ihm urplötzlich die beiden Hände mit den weit gespreizten Fingern
entgegen, um eine größere Fläche anzudeuten. Dann fletschte er die Zähne und
machte »grrrh«. Für einen kurzen Moment hielt das Tier inne und wich einen
halben Schritt zurück, um dann noch heftiger zu bellen.
    Es machte keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, an
diesem Hund vorbeizukommen. Lüder hätte das Tier ausschalten müssen. Und dafür
gab es weder einen triftigen Grund noch eine Rechtfertigung, zumal sich in das
heisere Bellen weiteres Hundegekläff mischte, das hinter dem verkommenen
Hofgebäude hervordrang.
    Lüder umrundete das Areal, immer darauf achtend, dass
er dem bellenden Hund nicht zu nahe kam. Er musste dazu die Nebengebäude
weiträumig umgehen und fluchte, als er im Unland hinter dem Stall in einen
zugewachsenen Graben abrutschte und mit dem Unterschenkel im Wasser landete. Er
zog sich am Böschungsbewuchs wieder hoch und schimpfte erneut, weil er die
Brennnessel nicht bemerkt hatte, in die er griff. Dann sah er die Quelle des
Hundegebells. Auf der Rückseite des Gebäudes befand sich ein Zwinger, an dessen
Innenwänden zwei Bullterrier kraftvoll in die Höhe sprangen. Selbst aus dieser
Entfernung waren ihre Reißzähne zu erkennen. Er holte sein Handy hervor und
schoss ein paar Aufnahmen. Dann kehrte er zu seinem Wagen zurück.
    Merseburger war nicht wieder aufgetaucht. Lüder atmete
tief durch, als er die Fahrzeugtür hinter sich geschlossen hatte. Schwälm hatte
davon gesprochen, dass Merseburgers Intelligenz nicht sehr ausgeprägt sein
sollte. Wenn der Mann in einem lichten Moment die Kampfhunde loshetzte, würde
das mit Sicherheit zu erheblichen Verletzungen beim Opfer führen. Lüder
bedauerte in solchen Situationen, dass er seine Dienstwaffe fast nie bei sich
führte, auch wenn sie in Jonas’ Fantasie das einzig wahre Arbeitsmittel eines
Kriminalbeamten war.
    Hauptkommissar Schwälm hatte von einem verkleideten
Bettler mit einer Lepramaskierung gesprochen, dachte Lüder. Ihm war
aufgefallen, dass Merseburger ein auffällig durch Narben entstelltes Gesicht
hatte. Es sah aus, als hätte der Mann in seiner

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