Todesküste
Kriegsverletzungen
steht, kann ich nicht sagen«, unterbrach der Arzt Lüders Gedanken.
»Das könnte ein Rifle sein. Den Degen kann man nicht
exakt erkennen.«
Der Pathologe reichte Lüder ein Vergrößerungsglas.
»Eine feine Arbeit«, stellte Lüder fest. »Der Degen
hat am Knauf einen Bommel. Das sieht wie ein Zierdegen aus. Wer trägt so
etwas?«
»Der Vorsitzende vom Schützenverein«, lästerte der
Arzt. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er da«, dabei zeigte er auf den
Toten, »ein solches Ehrenamt bekleidet hat. Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte
Dr. Diether und geleitete Lüder in den Aufenthaltsraum, nachdem er sich
gründlich gesäubert und einen Assistenten »Dichtmachen« angewiesen hatte, er
solle die Leiche »zumachen«.
Nachdenklich kehrte Lüder in sein Büro zurück. Es war
mehr als rätselhaft, weshalb innerhalb von vierundzwanzig Stunden zwei Menschen
auf eine ausgesprochen mysteriöse Weise ermordet wurden. Und das zweite Opfer
hatte man in Husum gefunden. Das lag im Zuständigkeitsbereich der Flensburger
Mordkommission. Deshalb nahm er Kontakt zu Frauke Dobermann, der Leiterin des
dortigen K1, auf.
»Moin«, begrüßte er die Erste Hauptkommissarin. »Wie
geht es Ihnen?«
»Wissen Sie, mit wem Sie sprechen? Wir an der
Alltagsfront haben nicht die Muße wie Sie von der Kieler Behördenleitung, uns
mit profanen Floskeln zu beschäftigen. Und da Sie kaum an meinem Wohlergehen
interessiert sind, bitte ich Sie, sich kurz zu fassen.«
»Wuff«, bellte Lüder ins Telefon. »Ich dachte, nachdem
wir in der Vergangenheit so erfolgreich zusammengearbeitet haben, wären Sie
weniger bissig.«
»Verzichten Sie auf das Denken und stellen Sie Ihre
Frage.«
»Es geht um den Toten aus Husum. Die Todesursache ist
…«
»Zu diesem Fall gibt es noch nichts zu sagen«,
unterbrach ihn Frauke Dobermann barsch. »Wir sind am Ball und haben noch keine
Erkenntnisse. Mehr ist dazu derzeit nicht anzumerken. War’s das?«
Lüder sah ein, dass jede weitere Frage sinnlos war.
»Warum ist eine so kluge und attraktive Frau wie Sie so bissig? Am Namen allein
kann es doch nicht liegen.«
Einen kurzen Moment herrschte Funkstille, bevor die
Flensburgerin antwortete: »Jemand wie Sie, der sicher unter dem Pantoffel
seiner Frau steht, wird keinen Blick für andere weibliche Wesen haben.«
Lüder lachte. »Nur weil sich bei unserer Dienstreise
in die Pfalz doch noch ein zweites Hotelzimmer gefunden hat und uns eine
gemeinsame Nacht im Doppelzimmer erspart hat, laufe ich doch nicht blind durch
die Gegend.«
Frauke Dobermann schnaufte ins Telefon. »Ich bin sehr
beschäftigt und habe weder Zeit noch Muße, mit Ihnen über solche Banalitäten zu
philosophieren. Ich wünsche Ihnen noch einen ruhigen Tag in Kiel. Und träumen
Sie etwas Angenehmes beim Büroschlaf.«
Lüder konnte der Frau nicht böse sein. Ihre unsensible
Art im Umgang mit anderen Menschen war ebenso bekannt wie ihre Tüchtigkeit als
Leiterin der Mordkommission. Und niemand konnte Frauke Dobermann das
leidenschaftliche Engagement für ihren Job absprechen.
Als Nächstes rief Lüder die Spurensicherung in
Flensburg an und ließ sich mit Hauptkommissar Jürgensen verbinden. Der Leiter
des K6 übernahm den Hörer von einem seiner Mitarbeiter, nieste und meldete sich
dann.
»Moin, Klaus, hier ist Lüder aus Kiel.«
»Moin. Ich nehme an, du möchtest etwas über den Toten
aus Husum wissen. Was hat dir die bissige Dobermann erzählt?«
»Leider nichts«, bekannte Lüder. »Die hat mich nur
angeknurrt und angebellt.«
»Darum heißt sie auch Dobermann. Wir hier in Flensburg
würden ja viel darum geben, würde man sie durch Frau Blume oder Frau Lieblich
ersetzen. Viel ist es nicht, was wir bisher herausgefunden haben. Den Befund
der Rechtsmedizin kenne ich noch nicht.«
Lüder berichtete Jürgensen von seinem Besuch bei Dr.
Diether.
»Interessant«, sagte der Hauptkommissar. »Der Mann
hatte nichts bei sich, was auf seine Identität schließen lässt. Alle
Hosentaschen waren leer. Kein Feuerzeug, keine Papiere, kein Geld.«
»Schmuck?«
»Nichts. Seine Kleidung war getragen. Mäßig, nicht
abgetragen, was auf einen Obdachlosen hätte schließen lassen. Er war rasiert
und sauber. Unter den Fingernägeln haben wir Alltägliches gefunden.«
»Was heißt das?«
»Brotkrümel, Butter, Marmelade und Hausstaub in
winzigen Partikeln. Er muss Raucher gewesen sein. Zumindest haben wir
Nikotinspuren an seiner rechten Hand gefunden.«
»Dann muss
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