Todesküste
sagte
Friedjof. Auf Grund seiner Behinderung und der dadurch verursachten Störung
seiner Feinmotorik fiel es ihm aber schwer. Friedjof gab erst auf, als Lüders
Telefon schrillte. »Tut mir leid, Herr Polizeipräfekt«, sagte er und stand auf.
»Ich muss jetzt zum nächsten Kaffeetermin bei meinem Freund Nathusius.« Er wies
auf die zerlegte Waffe, die auf Lüders Schreibtisch lag. »Kannst du das allein
zusammenbasteln?«
»Hau bloß ab«, rief ihm Lüder hinterher und nahm das
Telefongespräch an.
»Diether«, meldete sich der Rechtsmediziner. »Wissen
Sie, was wir für einen Wochentag haben?«
»Sicher. Dienstag.«
»Und das ist der zweite Tag der Woche.«
»Ja«, bestätigte Lüder.
»Dann ist es ja in Ordnung, dass ich die zweite Leiche
auf dem Tisch habe, die mit einem ›Sandklumpen‹ erschossen wurde. Offenbar
greift diese Methode um sich.«
»Das ist nicht wahr«, entfuhr es Lüder.
»Wollen Sie mich der Lüge bezichtigen?« Dr. Diethers
Stimme klang gespielt entrüstet. »Gestern ist in Husum ein Mann nach der
gleichen Methode ermordet worden wie das erste Opfer vom Sonntag in Heide.
Wollen Sie sich das ansehen?«
Kurz darauf stand Lüder an der Seite des Pathologen am
Seziertisch und ließ sich von Dr. Diether die Details erläutern.
»Es gibt wieder keine Ausschussöffnung. Und solche
Erscheinungen verursachen schlimmere oder tödliche Verletzungen als ein glatter
Durchschuss. Die sind häufig unproblematischer.«
»Nun deuteten Sie vorhin an, Sie hätten wiederum kein
Geschoss im Körper gefunden.«
Der Arzt nickte. »Wir haben erneut dieses graue Pulver
gefunden.«
»Und Sie haben noch keine Idee, um was es sich handeln
könnte?«
Dr. Diether sah Lüder nachdenklich an und schüttelte
den Kopf. »Ich bin Mediziner. Das fällt in das Ressort der Kollegin Braun.
Sehen Sie mal hier.« Er hielt Lüder eine Petrischale vor die Augen, in der
entnommene Organe lagen. Es war ein für Laien unerfreulicher Anblick. »Ich habe
mir erlaubt, das Pulver unterm Mikroskop anzusehen. Sicher bin ich mir nicht,
aber es sieht aus wie Wolframstaub.«
Lüder schüttelte ungläubig den Kopf. »Wer ermordet
Menschen, indem er mit Klumpen aus Wolframstaub schießt?«
»Das werden sicher keine Sandklumpen sein.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Lüder. »Das Ganze ist zu
einem Geschoss geformt, gepresst – was weiß ich. Dann wird es aus einer Waffe
abgefeuert, und im Körper des Opfers zerlegt sich das Ganze, sodass wir kein
Geschoss finden. Was soll das?« Er betrachtete das Opfer. »Ein Schwarzer.«
»Der hat schon einiges mitgemacht.« Dr. Diether warf
einen belustigten Blick auf Lüder, da der vor ihnen liegende Leichnam nach der
Organentnahme noch nicht wieder verschlossen war. Dann zeigte der Pathologe mit
der Spitze seines Seziermessers auf verschiedene Stellen des muskulös wirkenden
Körpers. »Hier – am Oberschenkel. Das ist eine alte Schussverletzung.
Fachmännisch von einem Chirurgen versorgt. Am Unterarm hat er Verbrennungen
erlitten. Und in der Rückenpartie und am Hintern sind ebenfalls alte Narben,
die zwar lange ausgeheilt sind, aber damals nicht optimal behandelt wurden.«
Lüder besah sich die Stellen, nachdem Dr. Diether den
Toten umgedreht hatte. Anstandshalber hatte er dazu einen Assistenten
hinzugerufen und auf Lüders Mitwirken verzichtet.
»Was könnte das sein?«
Dr. Diether wiegte nachdenklich sein Haupt. »So oft
bekommen wir das nicht zu sehen, schon gar nicht hier bei uns in Kiel. Ich bin
mir nicht sicher, aber das könnten Granatsplitter sein.«
»Das sieht ja aus, als wäre der Mann im Krieg
gewesen.«
Der Arzt nickte bedächtig. »Mit ein wenig Fantasie ist
das vorstellbar.«
»Es sieht so aus, als hätte er einiges erlebt. Wenn er
es noch könnte, würde er sich bestimmt zu Tode ärgern, dass er jetzt an einer
Staubkugel gestorben ist.«
»Dann ist es gut, dass er durch das Geschoss und nicht
durch die Verärgerung verstorben ist. Es gibt noch eine Merkwürdigkeit.« Dr.
Diether zeigte Lüder eine Tätowierung, die der Tote auf dem linken Oberarm
trug.
»Was ist das?« Lüder beugte sich hinab und erkannte
ein Schwert, das von zwei Blitzen umgeben war. Das Ganze wurde durch
verwaschene Linien eingerahmt.
»Auf dem rechten Oberarm findet sich eine zweite
Tätowierung«, sagte der Arzt und wies auf eine Zeichnung, die ein Gewehr
zeigte, das mit einem Degen gekreuzt wurde.
»Sieht ja beeindruckend aus.«
»Ob das im Zusammenhang mit den
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