Todesküste
und
verweigerte jede Information. Lüder legte den Hörer ein wenig enttäuscht auf
die Telefonstation zurück. Das ist wieder ein Tag, an dem man sich abends
fragt, was man geschafft hat, überlegte er und widmete sich bis zum Feierabend
der Büroarbeit.
»Das ist ja mal etwas Erfreuliches«, begrüßte ihn Frau
Mönckhagen aus ihrem Vorgarten heraus, als er um halb fünf, zu ungewohnt früher
Stunde, vor dem älteren Einfamilienhaus am Kieler Stadtrand hielt. »Ich habe es
selten erlebt, dass Sie so früh Feierabend machen können.«
Lüder schenkte der resoluten älteren Dame ein
herzliches Lächeln. »Wir haben in der Vergangenheit so gründlich mit den
Spitzbuben aufgeräumt, dass sich kaum noch welche nach Kiel trauen. Und weil
wir nichts mehr zu tun haben, darf ich ein wenig früher nach Hause.«
»Da wird sich Ihre Familie aber freuen«, sagte die
Nachbarin. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«
Lüder erwiderte die guten Wünsche und betrat das Haus.
»Mama, Lüder ist schon da«, tönte Jonas’ Stimme
markerschütternd durch das Haus. Natürlich hatte er als Erster mitbekommen,
dass sein Vater heimgekommen war. Der Junge stürzte auf Lüder zu und tastete
ihn gekonnt ab. »Hast du deine Knarre nicht mit?«, fragte er enttäuscht.
Lüder fuhr Jonas durch das Haar. »Nein, du
Struppelkopp. Ich habe dir oft genug erklärt, dass meine Waffe auf der
Dienststelle eingeschlossen ist. Die Polizei arbeitet mit Hirn und Verstand.«
Dabei tippte sich Lüder an die Stirn.
»Du könntest sie aber mal wieder mitbringen. Ich
möchte sie doch nur ansehen.«
»Und daran herumfingern.« Lüder kannte seinen Sohn.
Jonas nahm die Waffe fachmännisch auseinander und setzte sie korrekt wieder
zusammen.
Inzwischen war der Rest der Familie aufgetaucht.
»Du spinnst doch«, schimpfte Viveka Jonas aus. »Lüder
ist Kriminalrat. Der läuft doch nicht Verbrechern hinterher, sondern sitzt wie
ein normaler Beamter im Büro.«
»Gibt es auch unnormale Beamte?«, fragte Lüder
spöttisch.
»Ich meine doch nur, weil du Kriminalrat bist«,
verteidigte sich Viveka.
»Nun lasst Papa erst einmal zufrieden«, mahnte Margit,
die Lüder in Gegenwart der Kinder »Papa« nannte und mit Sinje die Einzige war,
die diese Formulierung verwandte.
»Ich bin nicht mehr lange Kriminalrat«, platzte es aus
Lüder heraus, obwohl er sich diese Überraschung für das Abendessen vorgenommen
hatte.
»Klasse! Musst du wieder Streife laufen und mit
Blaulicht fahren?«, ereiferte sich Jonas, während Thorolf dem Jüngeren einen
Stoß versetzte. »Blödmann. Das heißt, Lüder wird befördert.«
»Ist das wahr?«, fragte Margit, reckte ihren Kopf
empor und gab ihm einen Kuss.
Lüder nickte. »Das hat mir Nathusius heute Morgen
eröffnet. So! Und heute Abend geht es zur Feier des Tages zum Italiener.«
»Oh, geil«, ließ sich Jonas vernehmen, während Sinje
von unten am Hosenbein ihres Vaters zupfte und auf sich aufmerksam machte.
DREI
»Oh, geil«, sagte Friedjof, nahm den Lauf und sah
durch das Rohr. Der Bürobote saß Lüder an dessen Schreibtisch gegenüber und
hantierte voller Begeisterung mit Lüders Dienstwaffe, der Sauer P6. »Die kommt
aus Eckernförde?«, fragte er mit schwerer Zunge.
Lüder nickte. »Mensch, Friedhof, nun leg die Waffe
weg. Du bist ja schlimmer als Jonas.«
»Spielt der auch mit dem Ding?«
»Nein! Eine Waffe gehört nicht in Kinderhände.« Lüder
schämte sich ein wenig, weil er die Unwahrheit sprach. Er war schon einmal
schwach geworden und hatte seine Pistole mit heimgenommen, um sie dem
wissbegierigen Jungen zu zeigen. Während Viveka sich weigerte, die Schusswaffe überhaupt
in die Hand zu nehmen und Thorolfs Interesse nur oberflächlich war, hatte sich
Jonas das kleinste Detail erklären lassen.
Lüder hatte Margits harsche Standpauke über sich
ergehen lassen und ihr recht gegeben. Es war keine wohlüberlegte Handlung gewesen,
auch wenn Jonas noch so gedrängt hatte.
Er hatte gerade seine seit Langem nicht benutzte Waffe
hervorgeholt und sie einer gründlichen Reinigung unterzogen. Dabei hatte ihn
Friedjof überrascht, als der Bürobote mit der ersten Post des Tages in Lüders
Büro kam. Es kam öfter vor, dass Lüder Friedjof auf einen Kaffee einlud. Aber
heute dachte der junge Mann gar nicht daran, seinen Weg durch die Flure des LKA fortzusetzen, so sehr faszinierte
ihn die Pistole.
»So, Friedhof. Jetzt ist Schluss. Ich muss wieder an
meine Akten.«
»Ich will das Ding noch zusammensetzen«,
Weitere Kostenlose Bücher