Todesküste
Geschichte. Im Verhör
würde ich sie allerdings noch einmal auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen.«
»So wie Sie als Herr Jäger zur Polizei gekommen sind
und erst nach erfolgreichen Jahren in Nordfriesland zum Großen Jäger
mutierten?«
Das Grinsen im Antlitz des Oberkommissars gefror.
»Solche Sprüche habe ich schon oft gehört. Die sind alles andere als originell.
Aber was wissen Nordlichter schon von alten Kulturen wie Westfalen?«
»Immerhin eint uns eine alte bäuerliche Geschichte«,
sagte Lüder und versuchte seiner Stimme einen versöhnlichen Klang zu geben. »So
spannend das auch sein mag. Mich interessiert der Tote aus der Kirche.« Er
erzählte von der Merkwürdigkeit, dass am Sonntag in Heide ein anderer Mensch
Opfer eines Mordes geworden war und die Umstände der Tat dem Husumer Verbrechen
glichen. »Ich gehe davon aus, dass wir es mit demselben Täter zu tun haben.«
»Tätern«, korrigierte ihn Große Jäger. »Zumindest in
Husum waren es zwei. Das hat die Spurensicherung ergeben. Einer hätte das Opfer
nicht über die Holzverkleidung der Heizung hieven können.«
»Ich möchte mir den Tatort gern ansehen.«
Große Jäger blies den Qualm seiner Zigarette ungeniert
über den Schreibtisch in Lüders Richtung. »Daran werde ich Sie nicht hindern.«
Sein zur Schau gestelltes Desinteresse schwand aber, als Lüder ihm von der
rätselhaften Munition berichtete. »Donnerwetter. Das ist ja interessant.«
»Da teile ich Ihre Meinung.«
Der Oberkommissar lehnte sich zurück. »Der Fall wird
aber vom K1 aus Flensburg bearbeitet.«
»Und der Mord in Heide von den Itzehoer Kollegen.«
»Wenn es einen Zusammenhang gibt, wie Sie vermuten,
würde es doch Sinn machen, die Ermittlungen zusammenzulegen«, sagte Große
Jäger.
Lüder nickte. »Das könnte man so sehen. Es gibt aber
grundlegende Unterschiede im Profil der Opfer. In Heide war es ein
unbescholtener Familienvater, dessen Vita zu ermitteln völlig unproblematisch
war. Ein grundsolider Mitbürger, ohne Laster, ohne Probleme, bei dem es
rätselhaft ist, weshalb er einem Mord zum Opfer fiel. In Husum hingegen gaben
die Täter sich alle Mühe, jegliche Hinweise auf die Identität des Opfers zu
entfernen. Das gemeinsame Bindeglied zwischen den beiden Taten ist lediglich
die gleiche Munition.«
»Der ›Sandklumpen‹.«
Lüder nickte. »Richtig. Allerdings nicht aus Sand,
sondern aus Wolframstaub, wie wir inzwischen wissen.«
»Und wenn die beiden Opfer sich kannten?«, überlegte
Große Jäger und kratzte sich die Bartstoppeln, dass es deutlich im Raum
vernehmbar war.
»Dazu müsste man die Identität des Husumer Toten
kennen.«
Der Oberkommissar nickte versonnen. »Wir haben die
Sache nicht weiter verfolgt, weil der Fall an Flensburg abgegeben wurde. Wenn
wir allerdings versuchen würden, etwas über den Mann herauszufinden, würden wir
Dobermanns Ermittlungen nicht stören«, überlegte er. Dann nahm er einen Schluck
Kaffee.
»Und den Itzehoer Kollegen kämen wir auch nicht in die
Quere.«
»Sie wollen das Verfahren also nicht an sich ziehen
und eine gemeinsame Sonderkommission unter Führung des LKA bilden?«, fragte Große Jäger misstrauisch.
»Nein. Die Mordkommissionen haben viel Erfahrung und
arbeiten so effizient, dass es dumm wäre, sie an die Leine zu legen. Ich möchte
die Erkenntnisse konsolidieren. Im Übrigen bin ich Einzelkämpfer.«
»Nicht mehr«, beschloss Große Jäger, dessen
Jagdinstinkt geweckt schien. »Jetzt sind wir zu zweit.«
Lüder sah ihn amüsiert an. »Wer sagt das?«
»Ich!«, antwortete der Oberkommissar mit einem breiten
Grinsen. »Nun lassen Sie mal hören, was es sonst noch für Erkenntnisse gibt.«
Aufmerksam lauschte Große Jäger Lüders Bericht über
den bisherigen Stand der Ermittlungen. Als Lüder geendet hatte, streichelte
Große Jäger nachdenklich seine Nasenspitze. »Da trägt unsere neue
Zusammenarbeit schon die ersten Früchte«, sagte er.
»Ich habe nach der Entdeckung der Tat ein paar
Erkundigungen eingezogen und die jungen Leute befragt, die häufig um den
Brunnen auf unserem Marktplatz herumlungern.«
»Sie meinen die Tine?«
»Sieh an. Sogar Sie kennen unser Wahrzeichen. Die
Teenies bekommen meistens nicht viel mit, weil sie mit sich selbst beschäftigt
sind. Unsere Drogisten mei...«
»Wer sind die Drogisten?«, unterbrach Lüder.
»Unsere Rauschgiftjungs. Die sind der Meinung, dass die
Szene rund um die Tine aus ihrer Sicht nicht ganz sauber ist. Jedenfalls ist
den jungen Leuten
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