Todesküste
unseren
gemeinsamen englischen Freunden vorbehalten. Und das auch nur in finsteren
Spionagethrillern.«
»Und in einem solchen Umfeld bewegen wir uns nicht?«
Erneut lachte Hunter auf und zeigte dabei zwei Reihen
tadelloser Zähne. »Sicher nicht. Meine Welt ist das nicht. Und Sie, Herr
Lüders, sind Polizist. Das ist doch etwas anderes als die Welt der Geheimdienste.«
Er sprach Lüders Namen wie »Lieders« aus.
»Sie kommen von der amerikanischen Botschaft in
Berlin?«
Hunter erwiderte Lüders Blick, ohne mit der Wimper zu
zucken. »Nein. Ich mache gerade Urlaub und genieße das Leben auf Sylt. Ein
Traum, den Sie sich mit dieser Insel in Deutschland leisten.«
»Wie kommt es, dass Sie unter diesen Umständen das
Gespräch mit mir suchen?«
Der Amerikaner griff zum Glas, das die Bedienung
inzwischen gebracht hatte, und hielt es in Lüders Richtung. »Cheers« ,
sagte er, nahm einen Schluck, und betrachte gedankenverloren sein Glas, bevor
er es wieder absetzte. »Nicht schlecht.« Dann sah er Lüder an, als würde er
sich plötzlich daran erinnern, dass ihm eine Frage gestellt worden war.
»Amerika ist ein weites Land. Waren Sie schon einmal
dort? Meine Kollegen aus der Botschaft können nicht immer genau abschätzen, wie
die Entfernungen in Deutschland sind. Und da hat wohl jemand gemeint, Sylt und
Kiel würden direkt nebeneinanderliegen. Deshalb.«
»Sie hätten mir die Auskünfte auch telefonisch geben
können.«
Hunter zeigte erneut sein Dauerlächeln. »Wir möchten
der deutschen Polizei gern behilflich sein, zumal wir anerkennen, dass Ihre
ganzen Bemühungen nur darauf ausgerichtet sind, ein paar Fragen um einen
vermeintlichen Bürger meines Landes zu klären. Es ist also auch im Interesse
der Vereinigten Staaten.« Der Amerikaner hob entschuldigend seine Schultern und
legte den Kopf ein wenig schief. » Sorry , aber es ist Urlaubszeit, und da
hat es ein wenig länger gedauert. Das Generalkonsulat hat Ihre Anfrage nach
Berlin weitergegeben, und wir haben uns erst erkundigen müssen. Wir wollten
Ihnen eine sorgsam geprüfte Antwort zukommen lassen.«
Sie wurden erneut durch den Restaurantservice
unterbrochen und gaben ihre Bestellungen auf.
»Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«, fragte
Lüder.
»Wir haben es uns nicht einfach gemacht. Zunächst
einmal: Es gibt keinen vermissten US -Bürger.
Dann haben wir die uns überlassenen Unterlagen genau analysiert.«
»Moment«, unterbrach ihn Lüder. »Welche Unterlagen?«
»Wir haben uns die Fingerabdrücke des Toten von der
Bundespolizei geben lassen.«
»Wieso Bundespolizei? Unserem ehemaligen Grenzschutz?«
Hunter schüttelte mit einem leichten Bedauern den
Kopf. »Nein, da habe ich mich geirrt. Bei uns in Amerika heißt es
Bundespolizei. Das FBI . Bei Ihnen
ist es das Bundeskriminalamt.«
»Ich bin erstaunt, dass Ihnen diese Daten ausgehändigt
wurden.«
Der Amerikaner zeigte wieder sein fast überheblich
wirkendes Lächeln. »Das müssen wir hier und heute nicht erörtern, welche
Vereinbarungen der Amtshilfe zwischen unseren Ländern bestehen. Jedenfalls
haben wir über das FBI prüfen
lassen, ob uns der Mann, zu dem Sie angefragt haben, bekannt ist.« Hunter
schaffte es, seinem Mienenspiel eine betrüblich wirkende Maske zu verleihen.
»Leider nicht.«
Sie wurden abgelenkt, als Große Jäger das Restaurant
betrat. In seiner üblichen Aufmachung mit der ungewaschenen Jeans, dem roten
Holzfällerhemd und der speckigen Lederweste wirkte er an diesem Ort ein wenig
deplatziert und zog prompt die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich. Der
Oberkommissar hatte Lüder und seinen Gast entdeckt und steuerte deren Tisch an.
Damit kam er einem eilfertig auf ihn zustrebenden Kellner zuvor, der ihm sicher
in höflicher, aber bestimmter Weise erklärt hätte, dass leider alle Plätze
vorbestellt seien.
Hunter sah irritiert auf. »Ein Kollege von mir«,
erklärte Lüder und blieb sitzen.
Jetzt stand der Amerikaner auf und gab Große Jäger die
Hand. »George Hunter. Von der Botschaft der Vereinigten Staaten aus Berlin«,
stellte er sich vor.
Der Oberkommissar schüttelte die angebotene Hand.
»Wild Eric Big Hunter«, sagte er, zeigte mit dem Daumen der linken Hand
auf sich und ergänzte: »That’s me.«
»Wilderich Große Jäger. So lautet der Name des
Kollegen, den er für Sie ins Englische übersetzt hat«, erklärte Lüder, bevor
der Amerikaner sich zu sehr veräppelt fühlen konnte.
»Für mich ein Bier«, rief Große Jäger einem
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