Todesküste
Kellner
zu, der Gäste bediente, die zwei Tische weiter saßen, dann sah er Hunter an.
»Entschuldigung, aber ich hatte noch etwas zu erledigen.« Zu Lüder gewandt fuhr
er fort: »Ich will Sie nicht unterbrechen.«
»Möchten Sie auch essen?«, fragte der Amerikaner.
Große Jäger winkte ab. »Danke, hab schon. Ich hatte
heute Appetit auf was anderes.«
Lüder holte das Bild des Mordopfers hervor und legte
es Hunter vor. »Kennen Sie diesen Mann?«
Der Amerikaner warf einen flüchtigen Blick auf das
Foto. »Wissen Sie, wie viele Einwohner die Vereinigten Staaten haben?«
»Davon wird aber nur eine Minderheit in Husum
ermordet«, mischte sich Große Jäger ein.
Hunter strafte den Oberkommissar mit einem
durchdringenden Blick ab, bevor er, zu Lüder gewandt, antwortete: »Woher wollen
Sie wissen, dass es sich um einen Landsmann von mir handelt? Ich habe Ihnen
vorhin schon erklärt, dass es keine Anzeichen in unseren Datenbanken dafür
gibt, dass es sich um einen Bürger der Vereinigten Staaten handelt.«
»Der Tote hatte eine Tätowierung. Es handelt sich um
das Einheitsabzeichen einer Kampfeinheit der US -Army.«
Der Amerikaner winkte ab. »Nicht jeder, der eine
Baseballkappe mit dem Emblem › NY ‹
für New York trägt, ist ein Einwohner dieser Stadt. Jeder kann sich so etwas in
die Haut stechen lassen. Manche Schwarze in den Ghettos machen so etwas, um
damit anzugeben.«
Lüder nahm einen Schluck Mineralwasser. »Der Vergleich
hinkt aber. Es wäre ein merkwürdiger Zufall, wenn jemand mit einem solchen
Tattoo herumläuft, ohne in irgendeiner Verbindung zu dieser Militäreinheit zu
stehen.«
»Beweisen Sie das Gegenteil.« Hunter schien plötzlich
auf Konfrontationskurs zu schwenken. »Ich sagte Ihnen bereits mehrfach, dass
wir keine Anhaltspunkte gefunden haben, dass es sich um einen unserer
Staatsbürger handelt.«
»Haben Sie auch beim Militär nachgefragt, ob man den
Toten dort identifizieren konnte?«
»Wie sollte man?«
»Wir wissen, dass es in den USA umfangreiche Datenbanken gibt, in denen die Merkmale der
Militärangehörigen gespeichert sind. Sie benötigen diese Daten allein dafür, um
etwaige Opfer amerikanischer Einsätze an den verschiedensten Brennpunkten
dieser Welt zu identifizieren. Es sollte daher nicht schwer sein,
herauszufinden, ob der Mann gedient hat.«
»Da wissen Sie mehr als ich«, sagte Hunter. »Mir ist
von solchen Datenbanken nichts bekannt.«
Lüder registrierte ein kurzes Aufblitzen in Hunters
Augen. Unmerklich, aber wahrnehmbar. Er merkte dem Amerikaner die kurzzeitige
Verärgerung an. Doch dann hatte Hunter sich wieder gefasst. Er griff über den
Tisch und legte in einer vertraulichen Geste seine Hand auf Lüders Unterarm.
»Das ist doch nicht unser beider Welt. Wir sind Zivilisten.«
»Wir ermitteln in einem Mordfall. Da spielt es keine
Rolle, ob das Opfer ein Zivilist oder ein Soldat ist. Es geht um einen
Menschen.«
»Gerade wir in den Vereinigten Staaten stehen für die
Menschenrechte. Da sind wir nicht zuletzt unserer Geschichte verpflichtet.
Denken Sie an den Bürgerkrieg, als es nicht zuletzt um die Abschaffung der
Sklaverei ging.«
Ihre Aufmerksamkeit wurde kurz durch Große Jäger
abgelenkt, der Hunters Plädoyer mit einem undefinierbaren Grunzlaut
kommentierte.
Das Gespräch erstarb, als das Essen aufgetragen wurde.
Sie tauschten fortan nur noch Belanglosigkeiten aus, und Hunter war bemüht, die
Schönheiten Deutschlands zu loben.
»Wie schmeckt Ihnen das Essen?«, fragte Große Jäger,
der sich aus der Plauderei herausgehalten hatte.
Lüder war nicht voll des Lobes. »Ich fürchte, man muss
sich in diesem Restaurant ein wenig mehr anstrengen, wenn man das Niveau wieder
erreichen möchte, dass ich von früheren Besuchen in Erinnerung habe.«
Große Jäger grinste vielsagend und rief dem Kellner
hinterher, dass er noch ein Bier wünschte. »Aber ein großes.«
Nach dem Kaffee bot Hunter an, die Zeche zu
übernehmen, aber Lüder lehnte dankend ab. »Auch wenn wir in der NATO verbündet sind, gibt es noch keinen
gemeinsamen Haushalt unserer beiden Länder. Wie kann ich Sie erreichen, falls
wir noch Fragen haben?«
»Sie können jederzeit die Botschaft anrufen.«
»Wäre es nicht einfacher, Sie geben mir Ihre
Handynummer? Ich denke, Sie sind im Augenblick im Urlaub und gar nicht in
Berlin?«
»Ich stehe in ständigem Kontakt mit der Botschaft.«
»Donnerwetter. Dann scheinen Sie ein wichtiger Mann zu
sein. Darf ich fragen, welche Funktion Sie in
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