Todesküste
Pack. Lungert den ganzen Tag am
Wasser herum«, stellte eine der beiden fest.
»Pass auf, gleich fangen sie an zu saufen«, erwiderte
die zweite, bevor sie außer Hörweite waren.
Der Professor gab Lüder die Hand. »Ich bin der
Meister, wie mich die Studierenden hinter meinem Rücken nennen.«
»Lüders.«
Professor Meister setzte sich neben Lüder. »Ist ein
tolles Fleckchen hier. Wenn alle Menschen in der Welt ihren Blick auf die
Idylle dieser Erde lenken würden, wäre ich arbeitslos.«
»Darf ich nach Ihrem Fachgebiet fragen?«
»Klar doch. Ich bin Militärhistoriker und beschäftige
mich mit dem Sinn und Unsinn der Heldentaten vom Alten Fritz über Blücher und
Hindenburg bis zu Eisenhower.« Meister blinzelte begierig Lüders Plastiktüte
an.
»Ihre Stimme klingt ein wenig belegt«, sagte Lüder und
öffnete den Drehverschluss des Jack Daniel’s, ohne die Flasche aus der Tüte
herauszuziehen. Dann beförderte er zwei Kaffeebecher aus Plastik ans
Tageslicht, die er aus dem Kaffeeautomaten des LKA entführt hatte. Es gluckerte mächtig, als die erste Luftblase in den Whiskey
tauchte. Nachdem er die Flasche wieder verschlossen hatte, prostete er Meister
zu.
»Auf alle Generäle dieser Welt.«
»Skål« , erwiderte der
Professor, von dem schon vor dem ersten Schluck eine leichte Alkoholfahne
ausging. Lüder tippte auf ein eher harmloses Bier zur Mittagsstunde.
Während Lüder nur vorsichtig an seinem Becher genippt
hatte, war das Trinkgefäß seines Banknachbarn leer.
»Ahhh«, sagte Meister und drehte gedankenverloren den
weißen Becher. Dann sah er Lüder an. »Was wollen Sie genau wissen.«
»Über eine Tätowierung bei einem Mordopfer sind wir
auf eine Einheit der US -Army
gestoßen.«
»Die 173. Luftlandebrigade«, sagte der Professor und
nickte. »Horst sprach von einer ›Luftlandeeinheit‹. Das ist doch richtig?«
Lüder bestätigte es.
Meister hielt Lüder den Plastikbecher hin, wartete,
bis ein kräftiger Schluck nachgefüllt war, trank und starrte dann nachdenklich
auf das Wasser hinaus.
»Die Brigade hat eine wechselvolle Geschichte«, begann
der Professor zu erzählen. »Sie ist 1917 als Infanterieeinheit ins Leben
gerufen worden und wurde kurz vor Kriegsende nach Frankreich verlegt. Das war
allerdings so spät, dass die Bauernsöhne aus Arkansas nicht mehr an
Kriegshandlungen teilnahmen. Danach war sie reaktiviert beziehungsweise
Reserveeinheit bis 1942. Nachdem sie mehrfach den Namen geändert hatte, war sie
ab 1944 im Rheinland, in den Ardennen und im Elsass im Einsatz. Das ist die
Vorgeschichte, sozusagen für Ihr Verständnis.« Der Professor hielt sich den
Whiskeybecher unter die Nase und sog geräuschvoll das Aroma ein. »Die ersten
Meriten haben sie sich ab 1963 verdient. Schon während des Trainings als
schnelle Eingreiftruppe für Fallschirmabsprünge und Dschungelkampf hat die
Brigade ihren legendären Ruf als Truppe der harten Jungs begründet. Sie war die
erste größere Einheit, die nach Südvietnam verlegt wurde. Man nannte sie bald
die ›Sky Soldiers‹. Das findet sich übrigens auch im Einheitswappen wieder. Bei
schweren Gefechten mit dem Vietcong geriet sie in einen Hinterhalt und erlitt
schwere Verluste. Sicher haben Sie schon einmal etwas vom berühmten ›Hügel 875‹
gehört. Das war eine der blutigsten Schlachten des Vietnamkrieges. Überhaupt
hat die Truppe sich inmitten des Dschungels im ›Eisernen Dreieck‹ bewährt.
Nicht umsonst wurden zahlreiche Soldaten der Brigade mit der ›Medal of Honor‹
ausgezeichnet. Wenn sich Hollywood später dem Vietnamkrieg gewidmet hat, dann
war es oft von den Einsätzen der 173. abgeguckt.«
Meister trank erneut von seinem Whiskey. Inzwischen
hatte auch Lüder seinen Becher gelehrt und schenkte beiden nach.
»Woher wussten Sie, dass Jack mein bester Freund
ist?«, fragte der Professor und zeigte auf die Plastiktüte. »Den schmeck ich
unter tausend sonstigen Whiskys heraus.«
»Ich bin eben von der Polizei.« Lüder ließ unerwähnt,
dass die Auswahl gerade dieser Marke purer Zufall war, zumal Lüder selbst
schottische Single Malts zu schätzen wusste. »Es ist ja eine spannende
Geschichte, die Sie mir erzählen, aber unser Mordopfer ist viel zu jung, als
dass er in Vietnam hätte dabei sein können.«
»Sie sind wissenschaftliches Arbeiten wohl nicht
gewohnt«, entgegnete der Professor mit spöttischer Miene. »Ich erzähle Ihnen
das, damit Sie verstehen, welche harte Hunde in der 173. Dienst tun. Nach
Vietnam
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