Todesküste
Spannendes gibt?«
»Mich interessiert vor allem, ob dieser Tote auch
Tätowierungen aufzuweisen hat.«
»Nein. Keine. Und auch keine Merkmale, die darauf
schließen lassen, dass er im Krieg war. Das war bei dem Dunkelhäutigen ja sehr
auffällig.«
Lüder wandte sich dem Gesicht des Toten zu. Es war
bleich und eingefallen. Von der ursprünglichen Hauttönung war nicht mehr viel
zu erkennen.
»Was ist das für ein Landsmann?«, fragte er den Arzt.
»Ostasien. Hm.« Dr. Diether überlegte eine Weile.
»Kein Vietnamese. China?« Erneut legte der Arzt eine Pause ein. »Eher nicht.
Ich würde auf Korea oder Japan tippen. Vermutlich Letzteres. Mit höherer
Wahrscheinlichkeit kann ich Ihre Frage nach der DNA -Analyse
beantworten.«
»Ein Japaner«, sagte Lüder mehr zu sich selbst. »Wenn
bei uns rassistisch motivierte Überfälle stattfanden, waren bislang nie Japaner
unter den Opfern.«
Dr. Diether lehnte sich gegen den Rollwagen, auf dem
die Schalen mit den Organen standen. Als sich das Gefährt in Bewegung setzte,
schrak der Arzt zusammen.
»Hoppla.« Dann wies er mit der Spitze seines Skalpells
auf Lüder. »Das herauszufinden ist Ihr Hobby. Mögen Sie einen Kaffee?«
Lüder lehnte dankend ab.
»Oder einen Schnaps? Wir haben einen speziellen Alkohol.
Der muss gesund sein. Jedenfalls halten sich die Organe, die wir darin
einlegen, ganz hervorragend.«
»Damit stoßen wir an, wenn dieser Fall geklärt ist«,
erwiderte Lüder. »Tschüss. Bis zum nächsten Mal.«
»Es wäre nett, wenn Sie mal wieder eine andere
Todesart hereinreichen«, rief ihm der Arzt nach. »Die Sandklumpenmethode wird langsam zur Routine.«
Als Lüder ins Freie trat, sog er tief die frische
Seeluft in seine Lungen. Ohne Eile fuhr er zum Landeskriminalamt. Unterwegs
ließ er seinen Gedanken freien Lauf. Eigentlich hatten sie ein
ausländerfeindliches Motiv ausgeschlossen. Der Möchtegern-Rechtsradikale
Merseburger jagte einem Hirngespinst nach, einem Phantom, das nur in seiner
Fantasie existierte. Doch nun gab es den zweiten ermordeten Ausländer. Dagegen
stand aber das erste Opfer. Steffen Meiners war unbestritten Dithmarscher. Für
diesen Menschenschlag ist die Heimat der unabrückbare Mittelpunkt dieser Welt.
Und niemand käme auf die Idee, selbst in Nordfriesland nicht, einen
Dithmarscher als Ausländer zu betrachten. Nicht einmal Trachtendeutsche, die
sich exklusiv von Hefeweizen und Weißwurst ernähren, dachte Lüder und stellte
fest, dass ihm dieser Gedanke ein leises Lächeln aufs Antlitz zauberte. Er
nickte freundlich einer blondierten Mittfünfzigerin auf der Nebenfahrbahn zu,
die sich aufführte, als hätte sein charmantes Lächeln ihr gegolten.
Im Büro trank er zunächst den Becher Kaffee, den er
sich im Institut für Rechtsmedizin versagt hatte. Die Schlagzeile des
Boulevardblattes rief mittlerweile keinen Ärger mehr hervor.
»Das Phantom mordet weiter.«
Der Artikel stammte aus der Feder von LSD – Leif Stefan Dittert – und malte in
knappen Worten aus, welch einen grauenvollen Tod das neue Opfer gestorben war.
In einem separaten Kästchen im Innenteil wurde versucht, mittels einer sehr
oberflächlichen Zeichnung dem Leser die Verletzungen auszumalen, die der Autor
vermutete. Nach dem, was Lüder vorhin in der Rechtsmedizin gesehen hatte, lagen
die abenteuerlichen Vermutungen weit neben der Wahrheit. Überrascht war Lüder,
als er das Bild eines älteren Mannes sah, den der Reporter als wichtigen Zeugen
ausgemacht hatte. Lothar G. war – nach Darstellung Ditterts – nur knapp selbst
dem Tod entronnen, so hautnah war er dem Täter gewesen. Noch lange nach der
perfiden Tat rang der Rentner um seine Gesundheit, so war ihm der Schreck in
die Knochen gefahren, weil er dem »Geist« von Angesicht zu Angesicht
gegenübergestanden hatte. Dank solch mutiger Mitbürger, die der leider immer
noch ahnungslosen Polizei wertvolle Hinweise hätten geben können, wenn man sie
nur richtig befragt hätte, wie Lothar G. sich beim Reporter beklagt hatte,
sollte es möglich sein, der Todesserie an der Westküste Einhalt zu gebieten.
Angewidert legte Lüder die Zeitung beiseite. Mit
Sicherheit hatten Markus Schwälm und seine Leute Lothar Gwisdzun gründlich
vernommen und alles von dem Mann erfahren, was er zu sagen hatte.
Lüder rief in Itzehoe an.
»Ich habe es auch gelesen«, bestätigte Hauptkommissar
Schwälm. »Gegen solche Art von Journalismus sind wir machtlos. Dafür arbeiten
wir an der Spur, die vom Scheckeinreicher
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