Todesküste
den gespreizten Fingern durch die Haare. »Es wäre schön,
wenn wir im Gegenzug schon jemand mit nach Fuhlsbüttel nehmen könnten.«
Lüder musste nicht nachfragen. Der Oberkommissar
meinte damit das berühmte Gefängnis, dass ebenso wie der Flughafen im
gleichnamigen Hamburger Stadtteil lag und von Alteingesessen immer noch als
»Zuchthaus« bezeichnet wird.
Sie wurden durch Lüders Telefon unterbrochen. Es war
jemand von der Spurensicherung. Lüder war dankbar, dass nicht Frau Dr. Braun
mit ihren langatmigen Erklärungen am Apparat war.
»Es geht um den an Sie gerichteten anonymen Brief, in
dem der Name des Husumer Mordopfers genannt wird«, erklärte der
Kriminaltechniker. »Die Fingerabdrücke darauf waren deutlich zu erkennen. Ich
meine die, die nicht von Ihnen oder anderen Mitarbeitern des LKA stammen. Leider sind die Prints
nicht in unseren Datenbeständen erfasst.«
»Konnten Sie etwas zum Drucker, zur Tinte oder zum
Papier herausfinden?«
»Dutzendware. Bringen Sie mir den Drucker, und ich
kann Ihnen bestätigen, dass der Brief damit erstellt wurde.«
Nach diesem Gespräch rief Lüder in Itzehoe an.
Hauptkommissar Schwälm war nach dem ersten Freizeichen am Apparat.
»In diesem Fall ist alles merkwürdig«, stöhnte der
Leiter der Mordkommission. »Wir drehen uns im Kreise. Es gibt im Umfeld des
Mordopfers nichts, aber auch rein gar nichts, was auf eine Verbindung zu den
geheimnisvollen Tätern schließen lässt. Steffen Meiners war das Urbild eines
braven Familienvaters. Der Mann war total unauffällig. Vor allem haben wir
nicht die kleinste Verbindung zur rechtsradikalen Szene oder überhaupt zu
irgendwelchen politischen Aktivitäten feststellen können.«
»Vielleicht mag Ihnen die Frage seltsam erscheinen,
aber kennen Sie die Religionszugehörigkeit des Opfers?«
Tatsächlich war Schwälm zunächst ein wenig verblüfft.
»Moment«, sagte er. Es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder meldete.
»Auch das ist ganz normal.«
»Also evangelisch«, stellte Lüder fest.
»Das ist doch in Schleswig-Holstein keine ernste Frage«,
erwiderte Schwälm. »Warum wollten Sie das wissen?«
»Wir ermitteln in alle Richtungen. Es wäre interessant
gewesen, wenn Meiners beispielsweise zum Islam konvertiert wäre.«
»Das können wir mit Sicherheit von der Hand weisen.
Aber wenn Sie möchten, fragen wir dieses Thema noch einmal ab. Ich habe aber
noch zwei andere Neuigkeiten für Sie. Thomas Birry …«
»Das war doch der Absender der Schecks, die
Merseburger für seine Schmierereien erhalten hat«, warf Lüder ein.
»Richtig. Die Schecks wurden eingelöst und ein Konto
bei der Sparkasse Hoyerswerda damit belastet.«
»Hätten wir Vorurteile, würden wir unseren Verdacht
rechtsextremistischer Aktivitäten bestätigt sehen. Aber in diesem Fall hat es
wohl jemand zu gut gemeint und wollte uns mit dem gelegentlich mit dem
Rechtsradikalismus in Verbindung gebrachten Hoyerswerda auf eine falsche Fährte
locken«, sagte Lüder.
»Die dortige Polizei hat im Zuge der Amtshilfe
Einsicht in die Kontoeröffnung genommen«, fuhr Schwälm fort. »Die Fotokopie des
Personalausweises sieht echt aus, und es gab keine Zweifel für die Mitarbeiter
des Geldinstituts. Das Konto wird als Online-Konto geführt, das heißt, Thomas
Birry hat nie Post nach Hause erhalten. Und Einzahlungen wurden von Birry oft
in bar vorgenommen.«
»Wenn Sie mir das so ausführlich erläutern, gibt es
einen Haken bei der Sache.«
»Allerdings. Einen Thomas Birry gibt es nicht. Weder
unter der angegeben Adresse, noch wird er bei der Meldebehörde geführt.«
»Also ein Phantom«, seufzte Lüder. »Wir sollten die
Sparkassenmitarbeiter befragen, ob Birry als Geist aufgetreten ist.«
Schwälm ließ ein schwaches Lachen hören. »Sie meinen,
weil wir ein Gespenst oder einen Leprakranken suchen. Wenn sich dieser
geheimnisvolle Birry dahinter verbirgt, dann tobt er im Augenblick durch
Itzehoe.«
»Sie haben doch nicht etwa einen weiteren Toten?«
»Das nicht. Aber jemanden, der sich zu Tode ängstigt.
Lothar Gwisdzun. Das ist der Rentner, der den Mord an dem Taxifahrer beobachtet
hat. Ein blutrünstiger Reporter …«
»Sie meinen Leif Stefan Dittert«, schob Lüder ein.
»Mag sein. Der hat einen Artikel verfasst, nach dem
Gwisdzun als angeblicher Zeuge aufgetreten ist. Der Rentner will laut Zeitung
den Mörder gesehen und erkannt haben. Ja – noch mehr. Er hat sich ihm
todesmutig in den Weg gestellt.«
Lüder holte tief Luft. »Ich
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