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Todesläufer: Thriller (German Edition)

Todesläufer: Thriller (German Edition)

Titel: Todesläufer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédéric Mars
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baumelte von ihrem Arm. Sie hatte rasch gemerkt, dass es besser war, ihn ebenfalls auszuziehen, als den unangenehmen Unterschied zwischen den beiden Füßen zu spüren.
    Ohnehin lief sie nicht zum ersten Mal barfuß durch die Stadt. Schon im vorigen und vorvorigen Sommer hatte sie ausprobiert, wie es war, den warmen Straßenbelag unmittelbar unter den Fußsohlen zu spüren. Natürlich musste man etwas achtgeben, um nicht auf schmutziges Papier und frisch ausgespuckte Kaugummis zu treten. Aber man gewöhnte sich rasch daran. Das Schönste dabei waren eigentlich die belustigten oder empörten Blicke der Passanten.
    Seit sie in die Nacht geflohen war, hatte sie keine Menschenseele mehr gesehen. Inzwischen war es schon Vormittag, doch keins der zahllosen Luxusgeschäfte an der Fifth Avenue hatte geöffnet. Sogar die von ihr verabscheute Modeboutique war geschlossen, vor der gewöhnlich halbnackte Muskelprotze auf dem Gehweg posierten, um junge Frauen in den wie einen Nachtclub eingerichteten Laden zu locken.
    Ohne die übliche Menschenmenge, den Lärm und den Verkehr, welche die Arterien der Stadt erst zum Leben erweckten, wirkte New York sonderbar. Das Licht des frühen Vormittags, das durch den Dunst und die Wolken drang, hüllte die Gebäude wie mit einem grauen Tuch ein. Unwillkürlich musste Grace an das Buch Der Fänger im Roggen denken, das sie auf Empfehlung ihres Vaters mit vierzehn Jahren zum ersten Mal gelesen hatte. Es hatte sie wachgerüttelt. Wie Holden Caulfield kam es ihr vor, als treibe etwas sie in Richtung auf eine unausweichliche Katastrophe hin. Vor allem die Stelle kam ihr ins Gedächtnis, an der es hieß, es komme ihm vor, als stünde er »am Rand einer verrückten Klippe«. Verrückt, verrückt.
    Ein Stück weiter fielen ihr eingeschlagene Schaufensterscheiben, ausgeräumte Auslagen und halb leergeplünderte Geschäfte auf. Es war, als hätten alle TJ s und Franckys der Stadt die Parole ausgegeben: »Greift zu, Leute, man kann gefahrlos alles einsacken, was man haben will!« Wie es aussah, war die Polizei irgendwann doch eingeschritten, denn mitten auf der Fahrbahn lagen Säcke voller Markenschuhe herum, die offensichtlich in aller Eile zurückgelassen worden waren. Und niemand war da, um sie einzusammeln.
    Sie näherte sich dem Washington Square. Bald würde sie nach Westen, in Richtung der Sixth Avenue abbiegen, dann wäre es nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel. Mike hatte am Vortag auf keinen ihrer Anrufe reagiert. Sicher war auch er »in Marsch gesetzt« worden …
    Sam
    »Liz … ich bin froh, dich zu hören.«
    »Benton hat mir gesagt, dass du im Roosevelt bist. Alles in Ordnung?«
    »Ja, ich mache mich gerade auf den Weg.«
    Er ging die wenigen Stufen zur Tenth Avenue hinab, die ebenso menschenleer war wie die ganze Gegend. Die 59. Straße, durch welche die Rettungswagen von der Ninth Avenue zur Notaufnahme des Roosevelt-Krankenhauses fuhren, war wohl eine der letzten in der Stadt, in denen es noch eine Art Verkehr gab.
    »Wo ist Grace? Ist sie bei dir?«
    »Heute Nacht ist so einiges passiert … Es würde ziemlich lange dauern, das zu erzählen.«
    »Ihr fehlt doch nichts?«
    »Sie ist verschwunden, als man mich zusammengeschlagen hat.«
    »Wie entsetzlich … Soll ich sie suchen lassen?«
    »Nein. Wenn sie noch lebt, müsste sie jetzt in der Nähe des AT&T -Gebäudes angekommen sein. Es … es ist mir lieber, dass sie den ganzen Weg zurücklegt, den die ihr vorgeschrieben haben. Schick mir lieber einen Wagen, damit ich hinfahren kann. Mein Dodge steht ziemlich weit im Süden auf der Sechsten.«
    Sie wagte nicht, ihm zu sagen, dass er, nach allem, was aus Houston zu hören war, mit seiner Ahnung richtiglag. Dort hatten die Terroristen den Sprengsatz eines ihrer Opfer per Fernsteuerung gezündet, vielleicht weil er vom vorgeschriebenen Weg abgewichen war.
    »Ich nehme meinen …«
    »Nein!«, schrie er auf. »Nein, Liz, das ist nicht nötig, wirklich nicht. Du musst dich im Büro um andere Sachen kümmern.«
    »Das Pentagon hat vor, Erkundungsdrohnen loszuschicken. Soll ich den Leuten sagen, wo sich Grace befindet?«
    »Wenn du willst. Das wird zwar nicht viel ändern, aber … von mir aus.«
    »Sam … ich …«
    Wären sie Darsteller in einer x-beliebigen Fernsehserie, dann hätte sie an dieser Stelle so aufrichtig und überzeugend wie möglich einen tröstenden Satz vom Schlage »Alles wird gut« gesagt. Aber über ihre Lippen kam nichts dergleichen.
    Er hatte bereits

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