Todesläufer: Thriller (German Edition)
Bewaffnete Beamte der Küstenwache gingen an Bord und nahmen die drei Männer fest, die mit erhobenen Händen an Deck standen. Ihrem Aussehen nach stammten sie aus dem Mittleren Osten. Der untersetzte Mann in der Mitte mit ergrautem Bart und einer turbanartig auf dem Kopf sitzenden Kufiya schien der Anführer zu sein.
Sie leisteten keinen Widerstand, protestierten nicht einmal, als man ihnen Handfesseln anlegte und sie auf die Schnellboote brachte – im Gegenteil, sie wirkten erstaunlich gelassen. Als hätten sie ihren Job erledigt.
Die Durchsuchung des Kutters verlief enttäuschend. Mit Ausnahme der bei dem kurzen Schusswechsel verwendeten Gewehre fand man lediglich zwei Faustfeuerwaffen, Seekarten und Vorräte für kaum mehr als drei Tage. Weder verdächtige Papiere noch Sprengkörper oder chemische Substanzen, um dergleichen herzustellen.
Vor allem aber war keine Frau an Bord.
Als der Wind umsprang, ertönte von der Meerseite her ein dumpfes Dröhnen.
»Da haut einer ab!«, brüllte der verantwortliche Offizier. »Auf zehn Uhr!«
Er wies in Richtung Nordwesten.
»Carter, hol das Gen 3 raus!«
Mit geübter Hand setzte einer seiner Männer sogleich das Nachtsichtvisier auf sein Gewehr. Innerhalb weniger Sekunden hatte er das sich entfernende Ziel erfasst, das rasch kleiner wurde und in der Nacht verschwand.
»Hast du es?«
»Ja!«, rief er.
»Feuer frei.«
Als das Geschoss den Lauf verließ, war nichts weiter zu hören als das leise Klatschen der Wellen am Rumpf. Für einen kurzen Moment war der Motor ins Stocken geraten, jedoch nicht ausgegangen. Auf die große Entfernung und noch dazu im Dunkeln durfte man keinen Präzisionsschuss erwarten, auch nicht mit einem Infrarotvisier.
»Hast du getroffen?«
»Ich glaube schon, bin aber nicht sicher.«
22 UHR 50 – NEW YORK – BETH ISRAEL MEDICAL CENTER – BERNSTEIN-PAVILLON
Das Zimmer? Leer.
Das Bad? Leer.
Der Gang? Lag verlassen, denn der hochgewachsene Geheimdienstmann mit kahl rasiertem Schädel, der dort Wache gehalten hatte, hatte auf die Aufforderung des Anästhesisten hin das Zimmer betreten.
»Ich muss den Präsidenten für den Eingriff vorbereiten, und man hat mir gesagt, dass man da nicht so ohne Weiteres hineindarf …«
»Ganz recht. Ich geh voraus und ruf Sie.«
Doch der Mann rief niemanden. Stattdessen kam er weniger als eine Minute später herausgestürzt und hielt sich das in seinem Ärmel steckende Mikrofon vor den Mund: »Hier ist Kesnow … ich hab ein Problem.«
Das war eine gewaltige Untertreibung, wenn es um das Verschwinden des ersten Mannes im Staat ging. Aber wie alle Geheimdienstler war auch Roddy Kesnow für den Umgang mit den schwierigsten Situationen ausgebildet und hatte gelernt, unter allen Umständen die Ruhe zu bewahren.
Allerdings war er nicht darauf vorbereitet, dass sich ein Präsident einfach so in Luft auflösen könnte, und sei es aus eigenem Antrieb.
Adrian Salz eilte unverzüglich herbei. Er wirkte angespannt. Er sah Stanley Cooper noch vor sich, wie ihn dieser eine Stunde zuvor zum Rücktritt gedrängt hatte. Um ihn zu retten .
»Wer hat ihn als Letzter gesehen?«
»Vermutlich Sie. Nach Ihrem Weggang war niemand drin.«
»Meinen Sie, er könnte durch das Fenster verschwunden sein?«
»Möglich. Wir sind hier im ersten Stock, und Präsident Cooper ist ein sportlicher Typ.«
»Aber dann hätten ihn Ihre Kollegen auf dem Stuyvesant-Gebäude doch springen sehen müssen. Meinen Sie nicht auch?«
Der Geheimdienstbeamte im dunklen Anzug schob den Augenblick hinaus, in dem er seinen Fehler würde bekennen und von dem Mann mit der Kapuze auf dem Kopf reden müssen. Es wäre seine Pflicht gewesen, ihn anzuhalten. Das hatte er unterlassen, weil er ihn für jemanden vom Putztrupp des Krankenhauses gehalten hatte.
Salz warf einen Blick durch das Fenster. Die Aussicht auf den Platz war angenehm. Tagsüber dürfte Sonnenlicht das gut fünfzehn Quadratmeter große Zimmer durchfluten, das zweifellos eins der besten der Klinik war.
Er sah zum Park hinüber. Dort schloss ein Angestellter gerade die schweren Flügel des Eisentores.
»… haben wir es mit etwas zu tun, das ohne Weiteres der seit der Lewinsky-Affäre größte Skandal im Zusammenhang mit einem amtierenden Präsidenten sein könnte …«
Der Stabschef wandte sich dem Fernseher zu, um ihn abzuschalten. Der Kommentator von CNN erging sich in düsteren Spekulationen über Stanley Coopers politische Zukunft, während im Hintergrund die Bilder von der
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