Todeslauf: Thriller (German Edition)
folgte Piet. Nach dem Video zu schließen, musste ich mich auf insgesamt zehn Leute einstellen. Wir würden uns an einem Ort treffen, wo man die Waffen ungestört in Zigarettenkartons umpacken konnte. Ein paar Männer würden herauskommen, um die Zigaretten abzuladen. Eine zweite Gruppe würde wahrscheinlich drinnen bleiben und Edwards Beute bewachen, was immer es genau war. Diese Aufsplitterung würde es mir möglicherweise leichter machen, wenn auch nur für kurze Zeit.
Ich ging davon aus, dass sie Yasmin in einem eigenen Raum festhielten. Dann konnte ich zuschlagen, ohne befürchten zu müssen, sie könnte ins Kreuzfeuer geraten.
Brauchst du nicht zuerst einmal eine Wafe?, meldete sich eine Stimme in mir. Das war, so sagte ich mir, nur ein momentanes Problem.
Piet fuhr an den Südrand von Amsterdam und hielt vor einem Gebäude, das wie eine alte Brauerei aussah. Ein relativ neues Schild verkündete auf Holländisch, dass die Brauerei wegen Renovierung geschlossen war. Auf dem Parkplatz stand ein Lastwagen ohne Kennzeichen. Daneben eine Audi-Limousine – und ich spürte, wie mein Herz einen Sprung machte.
Der silberne Audi, den ich durch die Straßen von London verfolgt hatte und in dem Edward und Lucy gesessen hatten. Mit einem neuen Nummernschild, aber mit der Schramme an der hinteren Stoßstange, die er sich bei der Flucht durch die verstopften Straßen geholt hatte.
Er hatte meine Frau entführt. Und jetzt war ich ganz nah an ihm dran. Ich spürte eine uralte Wut in mir aufsteigen – etwas Animalisches, das wir zivilisierten Menschen gern für überwunden halten. Doch ich durfte mich jetzt nicht von meiner Wut leiten lassen; ich musste eiskalt bleiben.
Ich sah gedämpftes Licht in den Fenstern. Sie waren da.
Jetzt würde es sich entscheiden – leben oder sterben.
Piet war schon hinten beim Truck, als ich ausstieg. »Den Schlüssel vom Van, bitte«, sagte ich.
»Warum?«
»Ich hab meine Zigaretten drinnen vergessen.«
»Ich hab gar nicht gewusst, dass du rauchst.«
»Doch, tu ich«, erwiderte ich.
»Verdammt, hier hast du einen ganzen Laster voll Zigaretten.«
»Ich mag jetzt keine Kisten aufmachen.«
»Okay, hol sie dir.« Und er drückte mir den Autoschlüssel in die Hand.
Ich drehte mich um und ging zum Van. Er wandte sich dem Heck des Trucks zu, vermutlich um die Tür zu öffnen, damit die Kartons ausgeladen werden konnten.
Los.
Ich konnte nur raten, wo Eliane die Sachen versteckt haben mochte. Unter dem Fahrersitz.
Sie haben deine Frau und dein Kind entführt. Sei eiskalt.
Ich tat so, als würde ich die Zigaretten suchen, für den Fall, dass Piet herübersah.
Dann griff ich unter den Fahrersitz.
Nichts. Ich beugte mich vor und tastete unter dem Beifahrersitz. Nichts. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Eliane die Sachen unter dem Rücksitz versteckt hatte. Ratlos sah ich mich in dem leeren Van um.
Und spürte den Lauf einer Pistole am Hinterkopf.
»Du wolltest den Falschen übers Ohr hauen«, zischte Piet. »Ziemlich dumm von dir.«
»Was soll das, verdammt?«, protestierte ich.
»Deine Pistolen, dein Handy, dein kleines Spielzeug. Das Telefon hat geklingelt, jemand aus Amsterdam wollte mit dir reden. Warum hast du das Zeug?«
Ich gab keine Antwort, und er drückte mir den Lauf noch fester gegen den Kopf. »Um mich zu schützen«, sagte ich.
»Vor mir?«
»Nein, vor ihnen.«
Ich drehte mich zu ihm um; er ließ die Pistole an meinem Gesicht – der Lauf strich über meine Wange und blieb schließlich unter dem Auge. »Vor Edward und seinen Leuten. Was glaubst du denn, wird passieren, sobald wir ihnen die Ware übergeben haben? Sie bringen uns um, Mann. Sie brauchen uns nicht mehr. Wir sind zu zweit, und sie sind … wie viele, ein Dutzend?«
»Sie werden uns nichts tun.«
»Edward ist nicht bloß ein Schmuggler, Piet. Ich weiß, wer diese Leute sind. Die haben den Bahnhof in die Luft gejagt.«
Sein Gesicht wurde blass. »Woher zum Teufel weißt du das? Wer bist du?«
»Peter Samson, wie ich gesagt habe. Mein Freund in der Bar hat mir die Sachen besorgt«, fügte ich hinzu, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich blieb ganz ruhig, weil mir eins klar war: Der gute Piet hatte seine Gründe, warum er mich hier draußen zur Rede stellte.
Wenn man zu einem Treffen mit kaltblütigen Verbrechern geht und glaubt, einen Spion an seiner Seite zu haben, dann sollte man diese kaltblütigen Verbrecher möglichst nicht wissen lassen, dass man sie in Gefahr gebracht hat, aufzufliegen.
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