Todeslauf: Thriller (German Edition)
Überzeugung bestätigte und dieses Ding der Unmöglichkeit akzeptierte. »Nein. Sie ist unschuldig. Dieser Mann hat sie entführt.«
»Sie hat Sie zwar vor der Explosion bewahrt, aber dann hat sie Sie im Stich gelassen. Sie hat ihr Land verraten, und dann hat sie Sie verraten.«
»Nein.«
Howell schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Kräftig. Ich hatte es nicht erwartet, weil er wie ein Professor aussah, und Professoren schlagen ihre Studenten nicht. »Das ist die Realität. Es wird Zeit, dass Sie aufwachen, Sam. Sagen Sie mir, was Sie wissen.«
»Sie reden Unsinn. Wenn ich das Haus in die Luft gejagt hätte, dann wäre ich doch nicht dortgeblieben. Ich wäre längst weg gewesen. Sie wissen, dass ich unschuldig bin, aber es ist nun mal einfacher, mich hier zu bearbeiten, als die wahren Schuldigen zu suchen. Ich kann keinen Deal mit Ihnen eingehen, weil ich nichts anzubieten habe.«
»Dann sind Sie ein Vollidiot.« Er ging hinaus, kam aber fünf Minuten später mit einer kalten Flasche Wasser wieder. Wasserperlen glitzerten auf der Kunststoffflasche. Und ich wollte das Wasser so sehr. Er stellte die Flasche vor mich hin, aber ich griff nicht danach.
»Sie müssen die Wahrheit akzeptieren«, sagte er. »Vielleicht war alles, was Sie über Lucy Capra wussten, eine einzige Lüge.«
Die Tränen stiegen mir in die Augen. Ich werde ihn das nicht sehen lassen, dachte ich. Aber es waren ständig Kameras auf mich gerichtet. Die Videoaufnahme würde ihm zeigen, wie ich weinte. Ich unterdrückte die Tränen, zumindest für den Augenblick. Ich würde warten, bis es wieder dunkel wurde. Ich wollte nicht, dass sie meinen Schmerz sahen.
Er schaute mich an, als hätte er einen Trumpf ausgespielt, dem ich nichts entgegenzusetzen hatte. »Ich weiß, Sie sind durstig. Sie haben drei Tage kein Wasser bekommen. Haben Sie gewusst, dass es so lang her war? Trinken Sie, Sam. Ihre Kehle soll feucht sein, damit Sie mir alles erzählen können.«
Ich nahm das Wasser und trank. Kaum hatte ich ausgetrunken, zog er Kopfhörer und Augenmaske hervor. Zwei Frauen schoben den Wagen mit den Substanzen herein, die sie mir verabreichen würden.
Thiopental, Scopolamin und andere sogenannte Wahrheitsdrogen. Vielleicht würden sie mir gleich alle auf einmal verpassen – ich spürte jedenfalls mehr als eine Nadel unter meine Haut gleiten. Howell stellte mir seine leisen Fragen immer wieder und wieder, und diesmal hörte ich auch andere Stimmen, die mich das Gleiche fragten, und ich antwortete mit der nackten Wahrheit: Ich weiß es nicht. Ich bin kein Verräter. Ich habe nichts Unrechtes getan. Ich plapperte einfach los, auf alle ihre Fragen über mein Leben mit Lucy. Ich erzählte ihnen von unserem Liebesleben, von unseren Freunden in London, unseren Reisen nach Hause in die Staaten, von ihren Reisen allein durch Europa. Ich wusste nicht, was sie in den Wochen getan hatte, während ich in Prag undercover arbeitete und meine Rolle als Schmuggler auf der Suche nach Aufträgen spielte. Ich erzählte ihnen, was mir gerade durch den Kopf schoss. Die Worte sprudelten wie aus einer Ölquelle aus mir hervor.
Aber es gab nun einmal die Bombe und dieses Konto auf den Caymans, und das reichte ihnen. Ich müsse einfach mehr wissen, meinten sie. Ich müsse doch irgendwann Verdacht geschöpft haben. Howell versicherte mir immer wieder, dass er mir gerne glauben würde, so als wäre das sein größter Weihnachtswunsch. Ich konnte nur wiederholen, dass ich nichts wusste.
Also gingen sie einen Schritt weiter.
Die Augenmaske – mit der ich absolut nichts sah – gab mir das Gefühl, in einem tiefen dunklen Loch zu stecken. Der Kopfhörer knallte mir Musik in die Ohren – eine höllische Jukebox aus schwülstigen Balladen, hirnzerfetzendem Psychedelic Rock und nervenaufreibendem Rap. Dazwischen kam immer wieder ein schriller Ton, der einem durch und durch ging. Ich verlor jedes Zeitgefühl, jede Orientierung, jedes Gefühl der Verbundenheit mit dieser Welt.
Das änderte sich, denn sie fingen an, mich zu schlagen. Howell war nicht dabei, als die Wärter hereinkamen und mich gut zehn Minuten lang prügelten. Mit Fausthieben und Fußtritten. Die Jungs verstanden ihr Handwerk. Mein Gesicht blieb unversehrt, doch der Rest meines Körpers verwandelte sich in einen einzigen blauen Fleck. Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen. Sie gaben mir Wasser und ließen mich einen blutigen Klumpen ausspucken. Sie sahen sich den Klumpen an, um einzuschätzen, wie viel
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