Todeslauf: Thriller (German Edition)
hier mit der Pistole herumzufuchteln, Sam. So viele unschuldige Leute. Nicht zu vergessen die teuren zerbrechlichen Champagnerflaschen.«
»Edward hält mich für tot.«
»Nicht mehr. Er hat dich gesehen. Du mischst dich jetzt nicht ein, sonst wirst du nie erfahren, wo Daniel ist.«
»Daniel.« Der Name war ein Stich ins Herz.
»Unser Sohn. Ich habe ihn nach deinem Bruder benannt, wie wir’s ausgemacht hatten.«
Es tat weh, sie so reden zu hören.
»Misch dich nicht ein«, sagte sie noch einmal.
»Was gibt euch Zaid für seine Tochter?«, fragte ich und sah gleichzeitig, wie Edward und Yasmin auf Zaid zugingen.
»Er gibt uns alles, wofür er in seinem Leben gearbeitet hat«, antwortete Lucy. »Du kannst dir ein Beispiel an ihm nehmen, Sam. Er tut alles, um sein Kind zu schützen. Halt dich raus, dann bekommst du Daniel.«
Yasmin blinzelte schwer. Der Rest ihres Gesichts war von einem Tuch verhüllt.
Zaid reichte Edward die Aktentasche. Edward sagte ein paar leise Worte, und Yasmin ließ sich auf den Platz neben ihrem Vater sinken. Edward blieb stehen.
»Bleib hier sitzen, Sam, dann sage ich dir, wo Daniel ist«, mahnte Lucy noch einmal.
Nun drehte Edward sich um und eilte mit der Aktentasche hinaus. Zaid umarmte seine Tochter. Sie wirkte klein und zerbrechlich in seinen Armen. Sie erwiderte die Umarmung nicht.
»So ein Wiedersehen ist etwas Schönes«, sagte Lucy, und ich hätte ihr fast gesagt, sie soll die Klappe halten. »Du und dein Sohn, ihr könnt auch bald zusammen sein. Bleib einfach hier sitzen.« Sie beugte sich vor, zog mir den kleinen Ohrhörer heraus und zertrat ihn unter ihrem Absatz. »Mit wem arbeitest du zusammen?«
»Mit einer verrückten Frau. Das sage ich aber nur, weil sie’s jetzt nicht mehr hört.«
»Sam, komm doch gleich mit. Daniel ist ganz in der Nähe. Ich kann ihn dir jetzt geben. Und dann sind wir quitt.«
Sie hatte mich schon zweimal geschützt, deshalb wollte ich gern glauben, dass sie mir wirklich meinen Sohn geben würde. Ich weiß: Das war ebenso optimistisch wie verrückt.
Ich blickte zu Zaid hinüber, der Yasmin immer noch in den Armen hielt, sichtlich erleichtert, dass sein Kind in Sicherheit war.
Yasmin nahm das Tuch nicht ab, das ihr halbes Gesicht verhüllte. Sie setzten sich hin; vielleicht wollte Zaid warten, bis Edward weit genug weg war. Ich erinnerte mich, dass niemand von Yasmins Entführung wusste. Sie nickte einmal als Antwort auf etwas, was ihr Vater sie gefragt hatte. Die Tränen liefen ihm über die Wangen.
»Ich kann dir Straffreiheit verschaffen«, sagte ich. »Du könntest einen Deal aushandeln. Du musst nicht weglaufen. Soll das jetzt dein Leben sein? Immer auf der Flucht?«
»Straffreiheit? Lächerlich. Ich habe meine Entscheidung getroffen, Sam. Das ist mir bewusst.« Da war zum ersten Mal ein Hauch von Bedauern in ihrer Stimme. Zaid hielt die Hand seiner Tochter. Er griff nach dem Champagnerglas und trank es leer, eine nervöse Geste. Yasmin blieb stocksteif. Wie viel Therapie würde notwendig sein, damit sie wieder ihr normales Leben führen konnte?
»Lucy. Warum wirfst du dein altes Leben einfach weg?«
Dann sah ich an ihrem Handgelenk die kleine Sonne in der Neun. Das gleiche Symbol, das die Schlägertypen in Holland getragen hatten, und auch der Killer, der mich in Brooklyn heimgesucht hatte. »Lucy, mein Gott.« Ich tippte mit dem Finger auf ihre Tätowierung.
»Steh auf«, sagte sie. »Wir gehen hinaus.«
Ich sah Edward an der Statue eines Mannes im wehenden Mantel vorbeigehen, der zum Glasdach hinaufblickte, als würde er ein Unwetter erwarten. Dann war er in der Masse der Leute verschwunden, die nach unten gingen. Ich hoffte, dass Mila ihn weiter verfolgte, dass sie sich nicht auf mich konzentrierte, sondern auf ihn. Yasmin war in Sicherheit.
Beim Verlassen der Bar riskierte ich einen Blick zurück zu Zaid und sah, wie er leicht zusammenzuckte, als er sein Champagnerglas hinstellte. Er hustete. Dann stand Yasmin auf und eilte zum Eingang.
Ich blieb stehen. Yasmin Zaid nicht. In ihren Augen war eine kühle Entschlossenheit. Sie ging an uns vorbei, ohne auf mich oder Lucy zu achten oder zu ihrem Vater zurückzublicken, sie folgte Edward die Treppe hinunter.
Ich machte einen Schritt nach vorne und spürte die Pistole in meinem Rücken. »Hier lang, Sam. Du willst doch deinen Sohn sehen, oder? Hier lang.«
Zaid saß immer noch an seinem Platz, doch sein Kopf war nach vorne auf den Tisch gesunken. Die Leute um ihn herum waren
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