Todeslauf: Thriller (German Edition)
ihn zum Rand, Yasmin«, sagte Edward. Sie führte mich weiter. Edward hatte eine Pistole auf Milas Hals gerichtet, die andere auf mich.
»Du hast keinen Unsinn gemacht, also wird dein Sohn überleben«, meinte Edward. »Du bist ein guter Vater.«
»Du brauchst meinem Jungen nichts zu tun. Nie.« Ich würde für einen Sohn sterben, den ich nie sehen würde. Okay. Es war, wie es war. Aber ich wünschte mir doch, ich hätte ihn einmal halten und in sein Gesicht schauen können. Vielleicht hätte ich darin bestimmte Merkmale von mir und Lucy entdeckt – ja, auch von Lucy, der ehrlichen Lucy meiner Träume.
Edwards Mund zuckte. »Ich bin sicher, er wird ein gutes Leben haben.«
Es gab keinen Fluchtweg, keine Möglichkeit, mich zu wehren, und in diesem letzten Augenblick beschloss ich, dass die Würde der einzige Ausweg war, der mir noch blieb.
Lass mich gehen, hatte Lucy gesagt, und ich hatte es nicht getan. Ich konnte es nicht. Und jetzt war ich hier. »Es tut mir leid, Mila«, sagte ich. Sie nickte.
Edward hob die merkwürdige schwere Waffe, in die er den Computerchip gesteckt hatte, und richtete sie auf meine Brust. Er stand gut zwei Meter entfernt. Ich fragte mich, ob ich tot sein würde, bevor ich im Wasser landete, oder ob ich ertrinken würde. Ich wollte nicht ertrinken. Ich dachte an meinen Vater, meine Mutter, an das komische Leben, das sie mir und meinem Bruder geboten hatten. Und ich dachte an Daniel. Vor allem an ihn.
Der Lauf seiner Waffe zeigte mitten auf meine Brust.
Er drückte ab.
Ich stand da und blickte wie ein Idiot auf meine Brust hinunter, wo eigentlich ein riesiges Einschussloch klaffen sollte. Mein T-Shirt war völlig unversehrt.
Einen Meter neben mir taumelte Yasmin, und Blut quoll aus ihrer Brust.
Das konnte nicht sein. Die Pistole war genau auf mich gerichtet. Unmöglich. Sie stand gut einen Meter links von mir, und Edward hatte mit ruhiger Hand abgedrückt.
Er lachte. Milas Mund öffnete sich. Ich fing Yasmin am Rand des Brunnens auf und spürte, wie der Pulsschlag des Lebens aus ihr wich, als ich sie in den Armen hielt.
»Was für den einen Wissenschaft ist«, sagte Edward, »das ist für den anderen Zauberei.«
»Was … was?«, stammelte ich. Sie konnte nicht tot sein. Er hatte doch auf mich gezielt.
»Ich brauche sie nicht mehr.« Er hob die Waffe erneut.
»Und während du da unten im Dunkeln stirbst, werde ich dein Baby töten«, zischte er. »Einfach weil ich es kann.«
Er gab zwei Schüsse ab. Ich versuchte mit Yasmin auszuweichen, doch es war zwecklos. Yasmin wurde doppelt getroffen, und ich stürzte in das finstere Loch. Ich landete im dunklen Wasser, Yasmin immer noch in meinen Armen.
88
Ich blieb unter Wasser. Wenn ich jetzt aufgetaucht wäre, hätte er mich erschossen. Die Kälte war ein Schock. Das Wasser schimmerte grau im schwachen Licht über dem Brunnenschacht.
Ich hielt mich an der Steinmauer unter Wasser. Bestimmt wartete er kurz ab, ob ich mich noch rührte. Er sollte glauben, ich sei tot.
Meine Lungen fühlten sich an, als würden sie jeden Moment explodieren. Ich hörte einen fernen Schrei, vielleicht Mila. Oder vielleicht – hoffentlich – Edward. Denn Mila würde nicht schreien, Edward dagegen schon, so wie ich ihn einschätzte. Ein unsinniger, absurder Gedanke, um mich davon abzulenken, dass meine Lunge fast platzte. Aber keine Mila stürzte zu uns herunter. Yasmins Gesicht wandte sich mir zu, zwei Zentimeter vor mir, die Augen halb geöffnet im Wasser. Ich griff an ihren Hals. Kein Puls. Eine kleine hölzerne Taube trieb an ihrer Halskette zwischen unseren Gesichtern.
Die Lichter gingen aus. In der Ferne hörte ich ein schweres Knirschen – die steinerne Tür wurde geschlossen. Völlige Dunkelheit. Meine Lungen brannten von der verbrauchten Luft. Ich tauchte aus dem Wasser auf und versuchte so leise wie möglich zu atmen. Es gelang mir nicht. Mein Keuchen hallte von den Steinwänden wider.
Doch es kam kein Schuss. Edward war fort, und ich steckte in einer schrecklichen, erstickenden Dunkelheit.
Ich tastete nach der Wand des Schachts und erkundete sie mit den Fingern. Es war kein glatter Beton, sondern rauer Stein. Es musste ein sehr alter Brunnenschacht sein; vielleicht gab es eine kleine Chance, an den rauen Wänden hinaufzuklettern.
Ich glaubte nicht, dass ich ernstlich verletzt war. Die Kugeln hatten mir die Haut an den Handgelenken weggerissen, weil ich Yasmin gehalten hatte, als sie getroffen wurde, und meine verletzte Schulter tat
Weitere Kostenlose Bücher