Todeslauf: Thriller (German Edition)
weitertransportiert werden. Wenn die Schiffe ankommen, um ihre Fracht abzuliefern – ob in New York, Boston, Los Angeles oder Houston –, wartet bereits eine ganze Lkw-Flotte. Würde man die Container eingehend kontrollieren, so müsste man sie jeweils auf einen Truck laden und zu einem Scanner bringen, wo Bürokraten ihren Papierkram erledigen und die Inspektion überwachen. Die Waren müssten eventuell ausgepackt und wieder eingepackt werden, bevor der Truck den Container zurückfahren könnte – kurz gesagt, es wäre ein logistischer und finanzieller Albtraum. Jeder inspizierte Container verursacht eine Verzögerung im gesamten Ablauf, eine Störung im komplexen Gefüge des Wirtschaftslebens. Trucks bringen die Fracht oder leere Container zum Hafen und holen volle Container vom Hafen ab. Würde man sie aufhalten, um die Fracht zu kontrollieren, dann kämen die Güter nicht rechtzeitig dort an, wo sie gebraucht werden. Die Geschäfte hätten nur noch halbvolle Regale, die Kunden würden sich beklagen, die Geschäfte machen weniger Umsatz, die Aktionäre toben, und die Politiker reagieren.
Das ist die große klaffende Lücke in unserem Schutzpanzer.
Die Sicherheitsleute behaupten, dass sechs Prozent der Container inspiziert würden. Das bedeutet, vierundneunzig Prozent gehen ohne Kontrolle durch. Aber diese Zahlen stimmen nicht. Sechs Prozent an einem größeren Hafen, das wären fast zweitausend Container pro Tag. Diese Zahl wird bei Weitem nicht erreicht.
Ich hätte eine gute Chance, nach Europa zu kommen, wenn es mir gelänge, mich in einem Container zu verstecken. Die Gefahr, erwischt zu werden, war sehr gering. Nach sieben bis zehn Tagen im Container würde ich in London eintreffen – oder, was wahrscheinlicher war, in Rotterdam, dem größten europäischen Hafen. Von dort würde es nicht schwer sein, auf einem Schiff nach London zu kommen. Dann konnte ich mich endlich auf die Suche nach Lucy und meinem Sohn machen.
Ich musste mich nur selbst nach Europa schmuggeln.
16
Amsterdam
Edward liebte die Angst. Ihren Geruch auf der Haut, ihren Geschmack im Mund, das Gefühl, wenn das Herz zu pochen begann. Angst war die stärkste Kraft auf der Welt. Edward wusste, dass die Angst der Antrieb für jede Religion war, der Auslöser für Kriege, ja sogar der Ursprung der Liebe, weil der Mensch Angst vor dem Alleinsein hat.
Die Angst war das wesentliche Element gewesen, als es darum ging, die Seele der jungen Frau zu brechen.
Edward schlürfte seinen Kaffee am Küchentisch und dachte an die vergangenen zwei Wochen. Sein Experiment hatte all diesen kleinen Ganoven, die er zu einer losen Bande geformt hatte, gezeigt, dass man mit der richtigen Mischung aus Gewalt, Drogen, Isolation, Vergewaltigung und gelegentlichen Todesdrohungen zum gewünschten Ergebnis gelangen konnte. Er sah, dass die Nervosität seiner Leute wegen der Entführung mit jedem Tag schwand; das Lösegeld wurde gezahlt, und die junge Frau wurde immer mehr zu einer der ihren. Es erinnerte ihn an seine Studentenzeit, als er es geliebt hatte, auf der Bühne zu stehen und in einer Rolle aufzugehen. Nun hatte er für diese junge Frau eine neue Rolle geschaffen, in die sie zu schlüpfen hatte.
Edward hatte von Anfang an klargestellt, dass niemand außer ihm sie anrühren durfte; er duldete nicht einmal, dass jemand ohne seine Erlaubnis mit ihr sprach. Sie war sein Ton, den er formte. Natürlich lauschten die anderen an der Tür, wenn er ihr das Messer an die Kehle setzte und ihr erklärte, was sie und ihr Vater Böses getan hätten. Natürlich beoachteten sie interessiert, wie ein Mensch zersetzt wurde. Und er hatte ihr auch gesagt, dass die anderen lauschten – das machte ihre Angst umso größer.
Es war Mittagszeit, und die meisten aus der Gruppe waren hinausgegangen, um an diesem kühlen, aber sonnigen Tag durch Amsterdam zu spazieren. Die anderen saßen im Hauptraum und aßen zu Mittag.
Endlich konnte er allein mit ihr reden. Allein war es am besten. Er öffnete den Rucksack und betrachtete das interessante Ding, das sie für ihn zusammengesetzt hatte. Es hatte eine ganze Weile gedauert, um das Material anzuhäufen, aber jetzt war alles so weit, und es fehlte nur noch der letzte Schritt. Seine einzige Sorge war Simon, der in Brooklyn untertauchen musste, jetzt wo Sam Capra tot war, aber er würde sich bestimmt in einigen Tagen melden.
Er stellte seine Kaffeetasse ab und ging nach oben. Sie war in einem kleinen Wandschrank in der Ecke
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