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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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der Hörer weitergereicht wurde, ohne dass sich jemand um ihren Protest kümmerte.
    »Veronika, die Krankenschwester.« Ihre Stimme war freundlich.
    Ella stellte sich lediglich als Enkelin von Grete vor und bat die Krankenschwester, dafür zu sorgen, dass Grete auch während ihres Aufenthalts im Krankenhaus täglich ihr Abführmittel erhielt, woraufhin man ihr versprach, sich darum zu kümmern. Dann legte sie auf. Plötzlich wurden in ihr Gefühle für Grete wach, die sie noch nie zuvor empfunden hatte. Zum ersten Mal verspürte sie eine gewisse Unruhe angesichts des Gesundheitszustandes ihrer Großmutter.
    Ella erwachte davon, dass jemand ihren Rücken streichelte. Mikael. Sie hatte ihn gestern Abend angerufen, um sich von den Gedanken an den Vorfall mit ihrem Auto abzulenken. Sie hatten verabredet, erst ins Kino und danach zum Essen zu gehen. Allerdings hatten sie letztlich weder einen Film angeschaut noch zu Abend gegessen. Sie hatten vereinbart, dass er sie in ihrer Wohnung abholen würde – doch weiter waren sie nicht gekommen. Stattdessen hatten sie das neue Bett eingeweiht, das endlich geliefert worden war. Merkwürdigerweise hatte es ihr nichts ausgemacht, dass er die Nacht bei ihr verbracht hatte. Sie wusste nicht genau, wie sie ihr Verhältnis benennen sollte. Sie wusste lediglich, dass er unglaublich charmant und aufmerksam und ein wunderbarer Liebhaber war. Vielleicht war er genau das. Ihr Liebhaber. Sie ließ ihn weiter ihren Rücken streicheln.
    »Komm doch mal vorbei und hör dir eine meiner Vorlesungen an«, sagte er mit seiner dunklen Stimme.
    Ella drehte sich um und schaute ihn verwundert an.
    »Ich wusste gar nicht, dass du auch unterrichtest.«
    »Ich halte an der Hochschule ein paar Einführungsvorlesungen über Architektur«, entgegnete er nonchalant. »Sie sind nicht gerade gut besucht, also dachte ich, du könntest das Publikum etwas bereichern.«
    Er lächelte sie an und stand vom Bett auf. Sie schaute auf die Uhr und stellte fest, dass sie keine Zeit mehr zum Frühstücken hatte. Wenn sie rechtzeitig zur Arbeit kommen wollte, blieb kaum Zeit, sich anzuziehen.
    Auf dem Weg in die Rechtsmedizin rief sie bei den Assistenten im Obduktionssaal an. Es war Johannes, der sich meldete, fröhlich wie immer. Sie hatte keine Ahnung, wie es ihm gelang, jahrein, jahraus seine gute Laune beizubehalten, aber sie war auf ewig dankbar, dass er dort war und an den Tagen, an denen die Arbeit allzu trostlos schien, die Stimmung aufheiterte.
    Ella wusste, dass der überwiegende Teil der Kühlfächer mit Leichen gefüllt war, die obduziert werden mussten, und sie wollte nicht zu viele Fälle bis zur nächsten Woche aufschieben. Gemeinsam erstellten sie einen Plan, wie sie es schaffen könnten, sieben Fälle abzuarbeiten. Eine beeindruckende Zahl, aber es würde schon gehen. Sie strotzte vor Energie.
    Der Assistenzarzt obduzierte zwei Fälle und Ella fünf. Als es zwölf Uhr war, legte sie das Messer zur Seite und streifte sich die Handschuhe ab. Kein einziger Blutstropfen auf den Armen, stellte sie zufrieden fest, als sie sich die Hände wusch. Sie kam sich unbesiegbar vor, aber ihr war klar, dass sie eher high von den Ketonkörperchen war, die ihre Leber produzierte, wenn ihr Blutzucker immer stärker sank – eine Art künstlicher Atmungsprozess für den Stoffwechsel. Nach einer schnellen Dusche erhitzte sie zwei Portionen Mikrowellenessen, die sie gerade hinunterschlingen wollte, als Simon in den Pausenraum kam und sich zu ihr gesellte.
    »Versuchst du gerade einen Rekord aufzustellen?«, fragte er neugierig.
    »Ich wollte nur ein paar Leichen abarbeiten, damit du nächste Woche nicht so viel zu tun hast«, entgegnete sie mit einem Lächeln.
    »Ich meine eigentlich eher dein Essen. Ich verstehe nicht, wo du all die Energie verpulverst, die du in dich reinfüllst.«
    Ella schaute auf den Essensberg hinunter, der vor ihr stand.
    »Ganz einfach«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Hinterher kotze ich einfach.«
    Sie lachten. Im Pausenraum waren alle Witze zugelassen, auch unpassende und politisch inkorrekte. Deswegen war er auch für Außenstehende tabu. Er bildete das Ventil für all die Schrecklichkeiten, von denen die Mitarbeiter umgeben waren. In den Sesseln um den runden Tisch herum herrschte keine Etikette. Die furchtbaren Lebensschicksale, mit denen sie konfrontiert waren, wurden kanalisiert, gefiltert und in etwas umgewandelt, über das sie gemeinsam lachen konnten. Die Witze dienten nicht der

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