Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
verfolgt.«
Ella erinnerte sich an seine innere Unruhe und daran, dass er während ihres Treffens im Café wie auf Kohlen gesessen hatte.
»Ich glaube, dass es Waldemar ist«, sagte er nahezu im Flüsterton.
Ella fuhr von ihrem Stuhl hoch. Plötzlich war sie keineswegs mehr geneigt, seine Unruhe als Teil seiner nervösen Art abzutun. Sie hatte immerhin gesehen, wozu Waldemar in der Lage war.
»Von wo aus rufen Sie an?«
»Ich stehe am Empfang im Rossing-Gebäude.«
Er keuchte leicht und fügte hinzu:
»Ich muss sehen, dass ich von hier wegkomme.«
»Wir könnten uns sofort treffen«, schlug Ella vor. Ihr Puls war in die Höhe geschnellt.
»Ich werde mir umgehend ein Taxi nach Hause nehmen.«
Im selben Augenblick, als die Leitung unterbrochen wurde, griff Ella nach ihrem Mantel und den Autoschlüsseln. Vor ihrem Zimmer begegnete sie einer der Sekretärinnen, die sie mit großen Augen anstarrte, als sie quer durch die Bibliothek stürmte und durch die Tür hinaus verschwand. Aus erklärlichen Gründen geschah es nur selten, dass rechtsmedizinische Belange einen besonders schnellen Einsatz erforderten. Ella zog ihr Handy hervor und rannte zu ihrem Wagen.
*
Was damals nach Hugos erstem Herzinfarkt als vorläufige Lösung begonnen hatte, war inzwischen seit vielen Jahren zu einem dauerhaften Arrangement geworden. Jeden Morgen fuhr Waldemar mit seinem Auto zu Hugos Villa. Das kostete ihn lediglich fünf Minuten, doch mit den Jahren begann es ihn zu ärgern. Wenn er bei Hugo ankam, parkte er seinen Wagen und ging ins Haus, um seinen Vater zum Jaguar hinauszubegleiten. Das sportliche Modell war top gepflegt oder »in mint condition«, wie Hugo es ausdrückte. Hugo auf dem Beifahrersitz, fuhren Vater und Sohn dann zu ihrem gemeinsamen Arbeitsplatz. Während der zehnminütigen Fahrt musste Waldemar Hugo darüber Bericht erstatten, was auf der Tagesordnung stand. Viele der Vorschläge, die Waldemar während der Meetings in der Führungsetage präsentierte, basierten daher auf den Ideen, die ihm Hugo während dieser Autofahrten unterbreitet hatte. Da Hugo inzwischen nicht mehr in der Lage war, an allen Meetings teilzunehmen, war er der Meinung, dass es besser sei, wenn der Konzern von der jüngeren Generation geleitet wurde.
Doch auch wenn sein Vertrauen in seinen Sohn groß war, hatte es seine Grenzen. Dementsprechend hatte er gefordert, dass alle Beschlüsse von entscheidendem Ausmaß zuerst mit ihm besprochen werden müssten, und als er schließlich selbst von seinem Posten als Geschäftsführer zurückgetreten war, hatte er einen anderen Mann für diesen Posten empfohlen. Als einer der mächtigsten Teilhaber des Konzerns wogen Hugos Empfehlungen ziemlich schwer, und der Vorstand hatte nicht protestiert. Waldemar hatte wie schon so viele Male zuvor die Faust in der Tasche geballt und sich eingeredet, dass seine Zeit schon noch kommen würde. Eines Tages würde der alte Mann schon einsehen, dass die Zukunft des Unternehmens in den Händen seines Sohnes liegen müsse. Und dann würde Waldemar hervortreten und das Ruder übernehmen.
Von wesentlich geringerer Bedeutung, aber dennoch ungemein irritierend war die Tatsache, dass Hugo ihm nicht erlaubte, den Jaguar zu fahren, wenn er nicht selbst mitfuhr. Dennoch saß Waldemar nun allein in dem dunkelgrünen Wagen.
Seit er Ella vor dem Konferenzraum mit seinem Vater hatte sprechen sehen, wurde er immer unruhiger. Der Gedanke, dass Ella ihre Nase in Dinge steckte, die sie nichts angingen, ließ ihn nicht los. Seine Unruhe hatte sich auch nicht gelegt, als er seine Sekretärin danach fragte. Da Hugo nicht mehr an jedem Wochentag arbeitete, hatte er keine eigene Sekretärin mehr, sondern teilte sich eine mit Waldemar. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Hugo während seines Treffens mit Ella seine Sekretärin gebeten, eine Telefonnummer herauszusuchen. Es handelte sich um die Nummer von Gilbert Gustavsson. Als Waldemar klar wurde, wer dieser Gilbert Gustavsson war, beschloss er, dass Ellas Befragungen aufhören mussten. Daraufhin hatte er die Sekretärinnen im Archiv gebeten, ihm mitzuteilen, wenn der pensionierte Herr Gustavsson Zutritt zu den Räumen verlangte. Und heute hatte man ihn kurz nach der Mittagspause angerufen. Er hatte alles stehen- und liegenlassen. Die beiden Chinesen, mit denen er gerade in einem Meeting saß, blieben etwas befremdet in einem Konferenzraum zurück.
Als er zum Empfang hinunterkam, wusste er sofort, wer Gilbert Gustavsson war. Sein
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