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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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sein. Sie befürchtete, dass man ihre Vermutungen nicht auf jahrelange Berufserfahrung, sondern auf weibliche Intuition zurückführen würde. Sie verabscheute diesen Ausdruck.
    Als sich ihr Puls wieder beruhigt hatte, konnte sie wieder logisch denken. Sie begann umgehend nach natürlichen Erklärungen für die Tatsache zu suchen, dass die Totenflecke eher darauf hindeuteten, dass der junge Mann im Sitzen gestorben war. Es konnte zum Beispiel sein, dass er kurze Zeit nach dem Erhängen gefunden worden war und man ihn heruntergenommen und in eine sitzende Position befördert hatte, beispielweise mit dem Rücken an eine Wand der Garage gelehnt. Die Totenflecke hätten sich dann in der hängenden Position noch nicht bilden können und den Eindruck hinterlassen, dass er im Sitzen gestorben wäre. Doch sie erinnerte sich daran, dass seine Eltern über die Feiertage verreist gewesen waren und ihn erst nach ihrer Rückkehr in der Garage gefunden hatten. Außerdem war es wohl eher ungewöhnlich, eine Leiche in einer sitzenden Position zu belassen, nachdem man sie von der Decke geschnitten hatte, oder? Sie erinnerte sich auch an die etwas befremdliche Tatsache, dass die Totenstarre in den Ellenbogengelenken durchbrochen war. Die Befunde erschienen ihr nur schwer erklärbar, doch würden sie einen ihrer älteren Kollegen wohl kaum beunruhigen. Diese hatten oft eine Erklärung für die Entdeckungen parat, die ihre eigene Paranoia Amok laufen ließen. Sie beschloss deshalb abzuwarten, bis sie die Ergebnisse der Rechtschemischen Abteilung erhalten hatte. Doch das Gefühl, dass jemand die Leiche bewegt hatte, ließ sie nicht los.
    Ella prallte zurück, als sie das für sie völlig fremde Milieu betrat. Sie konnte zwar den Geruch von Leichen in fortgeschrittenen Verwesungsprozessen ertragen, aber bereits der erste Luftzug aus der Klimaanlage am Eingang verursachte bei ihr einen Würgereiz. Ihre erste Assoziation lautete Mageninhalt. Im Kaufhaus befanden sich alle Kosmetika im Erdgeschoss, wo jede Parfümerie ihren eigenen Tresen zu haben schien. Das Durcheinander von Parfümnoten war überwältigend.
    Als sich der erste Schock gelegt hatte, registrierte sie mit einer gewissen Verwunderung, dass die jungen Frauen hinter ihren Tresen weiße Laborkittel trugen. Ihre Kragen waren von diversen Bräunungscremes verfärbt. Als Ella endlich die Ventilatoren im Eingangsbereich passiert hatte, die die Januarkälte abhalten sollten, beruhigten sich die Geruchsnerven etwas. Sie nahm eine Verkäuferin ins Visier, die mit dem Rücken zu ihr stand. Sie hatte graue Haare und konnte Ella bestimmt durch den Dschungel an kosmetischen Produkten lotsen, durch den sie sich wohl würde durchkämpfen müssen. Auch für Ella war die Zeit gekommen, mittels Schminke die Männer zu verführen, deren Aufmerksamkeit sie auf sich ziehen wollte. Das war ihr nach ihrem Erwachen klargeworden, einem Erwachen, das der Anblick des Spiegelbildes ihres eigenen müden Gesichts und ihrer ergrauenden Haare bewirkt hatte. Sie räusperte sich, doch als die Frau sich umdrehte, wich Ella instinktiv zurück. Das Gesicht der Frau war so intensiv geschminkt, dass es bereits Falten warf und ihre Haut nicht unähnlich der eines Elefanten aussah. Ella räusperte sich noch einmal und tat so, als hätte sie sich verschluckt, während sie mit aufgerissenen Augen, und ohne anzuhalten, den Tresen der Frau passierte.
    In einem Versuch, ein neues Anlaufziel zu finden, begegnete sie dem Blick eines jungen Mannes, der hinter einem anderen Tresen stand. Er schüttelte den Kopf und lächelte breit. Vermutlich hatte er den Schrecken gesehen, der ihr ins Gesicht geschrieben stand. Plötzlich erschien ihr der Plan mit dem Schminken und der Haarpflege als nicht mehr ganz so ansprechendes Konzept. Ella steuerte auf den Ausgang zu, doch als sie am Tresen des jungen Mannes vorbeikam, signalisierte er ihr, kurz stehen zu bleiben. Im Unterschied zu seinen Kolleginnen oder eher Konkurrentinnen trug er keinen Kittel, sondern war ganz in Schwarz gekleidet. Mit einem leichten Akzent, der ihre Gedanken ins Baltikum leitete, flüsterte er ihr zu:
    »Wir sind nicht alle so gefährlich wie die Hexe da hinten.«
    Er machte eine dezente Kopfbewegung in Richtung der Frau mit dem furchigen Gesicht.
    Ella blieb stehen und sah sich skeptisch um. Das schwarze schnörkellose Design um den Tresen herum gefiel ihr. Dadurch wurden die Farben der Schminkprodukte hervorgehoben, und selbst ein Greenhorn wie Ella begriff,

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