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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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sah bereits vor sich, in welchem Zustand sie ihre Mutter treffen würde: ungeschminkt und die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Mit einem schweren Seufzer schritt sie zu Werke.
    Ella arbeitete methodisch, sodass sie mit den beiden Obduktionen in weniger als zwei Stunden fertig war. David war zwar weit entfernt davon, im Saal selbstständig zu agieren, doch er kam immer mit durchdachten und konkreten Fragen auf sie zu, was ihr seine Betreuung erleichterte und sie weniger zeitaufwändig gestaltete. Die Regeln bezüglich einer doppelten Kennzeichnung von Probenröhrchen und -döschen bewirkten, dass das Risiko äußerst gering war, Proben zweier Leichen zu verwechseln, doch den Vorschriften Genüge zu leisten erforderte seine Zeit. Nachdem Ella sämtliche Etiketten nach allen Regeln der Kunst beschriftet und aufgeklebt hatte, riss sie sich die Schürze, die Handschuhe und die Schutzbrille vom Leib und stürzte in Richtung Dusche. Es würde noch ein paar Stunden dauern, bis sie Judit abholen sollte, aber sie würde nicht aus dem Büro wegkommen, bevor das Meeting mit dem Laborpersonal und die Telefonkonferenz beendet waren. Danach blieb ihr gerade noch eine halbe Stunde Zeit. Aber sie hatte einen Plan.
    Diesmal war sie auf den Geruch vorbereitet, als sie das Kaufhaus betrat, und hielt die Luft an, bis sie den anvisierten Tresen erreicht hatte. Zu ihrer großen Freude war ihr schwarz gekleideter junger Freund da und grinste breit, als er sie erblickte.
    »Nein, da ist ja das kleine Bibliotheksluder wieder«, rief er aus.
    Ella hatte keine Zeit für Höflichkeitsfloskeln, sondern stieg umgehend auf den Hocker vor dem Spiegel.
    »Ich gebe Ihnen fünfhundert Kronen, wenn Sie dafür sorgen, dass ich nicht aussehe, als hätte mich gerade jemand aus dem Kanal gefischt«, sagte sie missmutig.
    »Aha, Probleme mit dem Zuhälter«, konterte er amüsiert mit seinem baltischen Akzent.
    »Sie haben eine Viertelstunde Zeit.«
    Der junge Mann arbeitete zügig und mit der Präzision eines Künstlers. Offenbar erforderte der Auftrag seine gesamte Aufmerksamkeit, um rechtzeitig fertig zu werden. Ella vertraute ihm und spürte, wie sie sich langsam entspannte, während seine flinken Finger über ihr Gesicht flogen. Nach zehn Minuten war er mit dem Gesicht fertig. Ella schaute auf und betrachtete sich im Spiegel. Im Unterschied zum ersten Versuch hatte er diesmal etwas gewagtere Farbnuancen ausgewählt. Das Ergebnis war erstaunlich.
    »Eigentlich könnten Sie gerne jeden Morgen zu mir nach Hause kommen und mich schminken, bevor ich zur Arbeit gehe«, sagte Ella, ohne den Blick vom Spiegel abzuwenden.
    Er lächelte zufrieden.
    »Wenn Sie mir noch weitere zehn Minuten geben, könnte ich sicher auch Ihre Frisur retten«, sagte er.
    Ella nickte. Während er ihr dunkles Haar bürstete und mit Haarspray einsprühte, sodass es mehr Volumen als je zuvor bekam, registrierte sie, dass er mehrfach leicht die Nase rümpfte.
    »Sie arbeiten nicht zufällig in einem Fischgeschäft?«, fragte er schließlich.
    Ella wand sich. Diese verfluchte Wasserleiche, dachte sie irritiert. Verdammter Kauffman und seine Gerichtsverhandlung.
    »Tja, die Freier«, antwortete sie kurz angebunden und lächelte gekünstelt.
    Als Ella das Kaufhaus verließ, fühlte sie sich wie neugeboren. Ihre Frisur war zwar nicht ganz so geraten, wie sie es sich vorgestellt hatte, aber sie passte zu ihrem Make-up und ihrer Kleidung. Der junge Mann kam in der Tat aus dem Baltikum, genauer gesagt aus Litauen. Er nahm von Ella kein Geld fürs Schminken an, dafür kaufte sie erneut alle Produkte bei ihm, die er benutzt hatte.
    Als sie sich gerade ins Auto setzen wollte, rief Judit an und fragte, ob sie etwa Gretes Geburtstag vergessen hätte. Ella ließ sie reden und antwortete dann in gestresstem Tonfall, dass sie noch kurz duschen müsse, um wenigstens den schlimmsten Leichengeruch loszuwerden.
    »Wie charmant«, entgegnete Judit säuerlich und beendete das Gespräch.
    Ella genoss den Blick ihrer Mutter, als sie sie vor ihrer Wohnung abholte. Nachdem sie ihre Tochter mit offenem Mund gemustert hatte, lächelte sie und begann den Blumenstrauß zu richten, den sie bei sich hatte. Nach einer knappen halben Stunde im Kaufhaus war Ella so einparfümiert, dass der Rest des Geruchs, den sie unter der Dusche nicht losgeworden war, übertüncht wurde.
    Judit wohnte nicht mehr als hundert Meter von Grete entfernt, bestand jedoch jedes Mal darauf, abgeholt zu werden. Ella tippte darauf, dass es

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