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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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daraufhin auf der gesamten Rückfahrt, während der Zug durch die bewaldete Landschaft rauschte.
    Am Mittwochmorgen verspürte Ella bereits beim Aufwachen Beklemmungen. So ging es ihr immer vor einer Begegnung mit Grete. Die alte Hexe wurde heute achtundachtzig Jahre alt. Mutlos stieg sie in die Duschkabine und meinte zu spüren, wie ihr Selbstvertrauen mit dem Wasser langsam von ihr herabrann. Als sie wieder aus der Dusche kam und in den Spiegel schaute, fasste sie einen für diesen Tag entscheidenden Entschluss. Sie gab sich besonders viel Mühe mit dem Make-up und wählte sorgfältig die Kleidung aus, die sie zur Einladung am Nachmittag tragen wollte. Die Spiegel in ihrem Zimmer, die sie für den bevorstehenden Umzug bereits auf den Fußboden gestellt hatte, ermöglichten es ihr, sich von allen Seiten zu betrachten.
    Sie schaute auf und begegnete Markus’ Blick. Er stand in der Tür und wollte sich gerade auf den Weg zur Arbeit machen. Falls er ihre Pirouetten gesehen hatte, war er nachsichtig genug, sie nicht zu kommentieren.
    »Grüß die Hexe von mir«, sagte er stattdessen und verschwand durch die Wohnungstür.
    Die wenigen Male, bei denen Markus Grete begegnet war, hatten ausgereicht, um eine ausgeprägte Abneigung gegen sie zu entwickeln. Bei ihrem ersten Treffen hatte sie den jungen Mann, der versucht hatte, ihr zu imponieren, vollkommen zunichtegemacht. In seinen Bemühungen, sich korrekt zu kleiden, hatte er sich der größten Verbrechen im Regelbuch der Kleideretikette schuldig gemacht. Grete hatte es Markus selbstverständlich nicht direkt gesagt. Aber sie hatte ihre Freundin in lautstarkem Theaterflüsterton auf seinen mangelnden Stil hingewiesen, woraufhin beide in gedämpftes Gelächter verfallen waren. Wäre Ella zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Rechtsmedizin bereits erfahrener gewesen, wären ihre Phantasien, wie sie die Hexe töten könnte, etwas extravaganter ausgefallen.
    Ella warf einen letzten Blick in den Spiegel im Empirestil, der mit einem Furnier aus Mahagoni und vergoldeten Beschlägen versehen war. Sie musste über sich selbst lächeln. Der dunkelgraue Rock lag eng an und endete unmittelbar unterhalb der Knie, wo der Schaft der schwarzen Lederstiefel begann. Unter der hellgrauen dünnen Strickweste trug sie eine tief ausgeschnittene weiße Rüschenbluse, die den Blick auf ihr üppiges Dekolleté freigab. Seit ihrem Sonnen- und Badeurlaub auf Kreta 2003 hatte sie nie wieder so viel Haut gezeigt. Es war das letzte Mal gewesen, dass sie einen solchen Urlaub gemacht hatte. Ihre Thailandreise zählte sie nicht mit. Denn während der Arbeit in Thailand im Januar 2005 hatte keiner so richtig Lust gehabt zu baden. Sie schob die Gedanken beiseite und machte sich auf den Weg zur Arbeit.
    Zu Ellas großem Verdruss stellte sich heraus, dass Kauffman in letzter Sekunde zu einer Gerichtsverhandlung gerufen worden war und im Obduktionssaal ein Spezialist gebraucht wurde, obwohl sie an diesem Tag nicht für eine Obduktion eingetragen war. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Bedürfnis, all das zu vermeiden, was ihr Make-up oder ihre Frisur zerstören könnte. Sie hatte keine Schminksachen dabei und befürchtete, dass die Zeit nicht ausreichen würde, um nach Hause zu fahren und sie zu holen, denn der Nachmittag war mit Meetings und Telefonkonferenzen ausgebucht. Wenn es sich lediglich um eine oder zwei Leichen in gutem Zustand handelte, müsste sie vielleicht gar nicht unbedingt duschen, redete sie sich ein. Sie zog die grüne Operationskleidung an und steckte ihre Haare hoch. Aber bereits in der Schleuse zwischen dem Umkleideraum und dem Obduktionssaal wurde ihr klar, dass sie nicht so leicht davonkommen würde. Sie betrat den Saal und holte tief Luft.
    »Wasserleiche«, sagte sie resigniert.
    »Ganz genau«, entgegnete Johannes gut gelaunt wie immer.
    Sie hatte nicht einmal einen Blick auf den Obduktionstisch werfen müssen. Der Geruch war äußerst speziell.
    »Nach ungefähr einem Monat in der Badewanne gefunden«, warf David ein. Er hatte bereits mit der äußeren Untersuchung der aufgequollenen Leiche begonnen. Die Haut war grünlich verfärbt und hatte sich bereits großflächig abgelöst. Es war kein schöner Anblick, und der Verwesungsprozess machte es nicht gerade leichter, eventuelle Verletzungen an der Leiche auszumachen.
    Bedauerlicherweise reichten oft ein paar Minuten aus, damit sich der Geruch in den Haaren, in der Kleidung und nicht zuletzt in der Haut festsetzte. Ella

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