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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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fragte sich, was wohl in ihrem Kopf vor sich ging. Als sie fertig gespült hatte, drehte sie sich um und legte Estrid eine Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen und begegnete Ellas Blick. Anfänglich konnte Ella die Veränderungen in ihrer Miene nicht deuten. Sie erkannte die Frau, die seit ihrer Geburt an ihrer Seite gestanden hatte, kaum wieder. Die lächelnden Augen waren wie ausgewechselt und durch einen intensiven brennenden Blick ersetzt. Hass. Ihr Blick strahlte puren Hass aus. Sie hielten beide inne und starrten einander an.
    »Sie müssen ihn dazu getrieben haben«, sagte Estrid schließlich.
    Ella runzelte die Stirn. Estrid nahm offenbar an, dass Frederick Selbstmord begangen hatte.
    »Aber es lag überhaupt nicht in seiner Natur aufzugeben. Der Frederick, den ich kannte, war um einiges mutiger«, fügte Estrid hinzu.
    Estrids Stimme zitterte so sehr, dass Ella sich anstrengen musste, um zu verstehen, was sie sagte. Ella beugte sich hinunter, umarmte sie und ließ sie nicht los, bevor sich Estrids Atmung wieder beruhigt hatte.
    Als Ella in die Kälte hinauskam, spürte sie, wie das Adrenalin durch ihre Adern rauschte. Sie hatte neue Informationen erhalten, sie aber noch nicht verarbeiten können. Sie setzte sich ins Auto und schaltete die Sitzheizung ein. Nachdem sie fünf Minuten mit laufendem Motor im Wagen gesessen hatte, merkte sie, dass sie nicht einmal annähernd in der Lage war, Klarheit in die Gedanken zu bringen, die ihr durch den Kopf schossen. Sie fuhr auf direktem Weg ins Fitnessstudio und stellte ihren Wagen in ein nahegelegenes Parkhaus. Draußen war es bereits dunkel, und sie lief mit schnellen Schritten auf die grellbunten Werbeschilder des Studios zu. Als sie das Gebäude betrat, verflüchtigten sich die Gedanken an das Gespräch mit Estrid.
    In Estrids gepflegter kleiner Wohnung herrschte scheinbar vollkommene Stille. Die alte Dame saß in der Küche, in der es noch immer nach Waffeln roch. Ella hatte in ihrem Gefühlsleben einen Sturm entfacht. Nicht nur die Ereignisse um den Brand hatten alte Erinnerungen geweckt. Estrid strich sich wieder mit der Hand über die Narbe an der Augenbraue. Es war lange her, seit sie zuletzt an damals gedacht hatte. An Alfred. Der Mann, der sie bereits bei ihrer ersten Begegnung mit seinem Charme für sich eingenommen hatte. Alfred, der Matrose. Das Ganze erschien ihr wie ein schlechter Scherz, und er hatte an dem Tag, als sie ihm vor der Markthalle begegnet war, tatsächlich Scherze über seinen Namen gemacht. Estrid war unterwegs, um Krabben für Grete zu kaufen, und er hatte ihr seine Hilfe angeboten, um die besten auszusuchen. Er war zwar etwas angeheitert, aber der hübscheste Mann, dem Estrid je begegnet war. Noch dazu hatte er ausgerechnet auf sie ein Auge geworfen. Dass er mindestens zehn Jahre jünger war als sie, kümmerte sie nicht im Geringsten.
    Sie hatten eine Liebesbeziehung miteinander angefangen und trafen sich von nun an jedes Mal, wenn Alfreds Schiff im Hafen lag. Er war oft mehrere Wochen hintereinander auf See, um danach braungebrannt und mit Geschenken aus fernen Ländern zu ihr zurückzukehren. Sie verabredeten sich oft in dem kleinen Zimmer, das er in der Nähe des Hafens im Mietshaus einer älteren Dame bewohnte. Sie hätte es nie gewagt, ihn nach Hause zu Grete und Ernst mitzunehmen, aber es kam vor, dass Estrid Ella mitnahm, wenn sie Besorgungen für Grete erledigte, und bei einer solchen Gelegenheit hatten sie Alfred zufällig getroffen. Estrid erinnerte sich noch daran, wie er sie und Ella zum Eis eingeladen hatte. Sie hatte allerdings angenommen, dass Ellas Erinnerung an Alfred schneller verblassen würde als ihre eigene. Aber so war es offenbar nicht. Estrid seufzte. Die Wunden, für deren Heilung sie dreißig Jahre benötigt hatte, waren innerhalb von Sekunden wieder aufgerissen.
    Ellas Stimme hallte in ihrem Kopf wider: »Ich glaube, man hat dich weggeschickt, weil du irgendetwas nicht mitbekommen solltest.«
    Estrid wusste nicht so recht, was sie glauben sollte. Ella hatte ihre ehemaligen Arbeitgeber mehr oder weniger beschuldigt, an einer Verschwörung um den Tod des eigenen Schwiegersohns beteiligt gewesen zu sein. Wer Ernst und Grete nur oberflächlich kannte, mochte den Eindruck gewonnen haben, dass sie zu allem fähig gewesen wären, um ihre Ziele zu erreichen. Ihre Beharrlichkeit und ihr Streben nach Perfektion waren nicht zu leugnen. Aber Estrid war alles andere als eine oberflächliche Betrachterin. Sie wusste

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