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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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älteren Köpfe sind klüger. Sie haben uns gesagt, wir sollten ruhig rausgehen und unseren Kopf riskieren, aber sie würden sich nicht von den Soldaten einkassieren lassen - sie nicht. Ich bin wieder abgesprungen, nachdem wir auf dem Rasen eines alten Schwarzen ein Kreuz verbrannt hatten. Ich hatte eine Heidenangst, und ich habe mich geschämt. Wozu sollte es gut sein, auf dem Rasen eines alten, schwarzen Mannes ein Kreuz zu verbrennen? Solche Sachen sind doch schon lange Geschichte, nicht wahr? Klar sind sie das.« Baker schüttelte verständnislos den Kopf. »Es war nicht richtig.«
    In dem Augenblick hörten sie wieder Schüsse.
    »Und wieder einer«, sagte Scramm mit verschnupfter, näselnder Stimme und wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab.
    »Vierunddreißig«, zählte Pearson und nahm einen Penny aus seiner rechten Hosentasche und steckte ihn in die linke. »Ich hab' mir nämlich neunundneunzig Pennies mitgebracht«, erklärte er. »Jedesmal, wenn einer draufgeht, stecke ich einen in die andere Tasche. Und wenn -«
    »Das ist ja ekelhaft!« unterbrach Olson ihn. Seine gespenstischen Augen starrten Pearson wild an. »Ist das deine Totenuhr? Wo sind deine Voodoopuppen?«
    Pearson sagte nichts, sondern starrte verlegen auf das brachliegende Feld, an dem sie gerade vorbeigingen. Schließlich murmelte er: »Ich hatte eigentlich nichts davon sagen wollen. Es sollte mir nur Glück bringen, sonst nichts.«
    »Es ist grausam!« krächzte Olson. »Es ist gemein! Es ist-«
    »Ach, hör doch auf damit!« rief Abraham. »Hör auf, mir auf die Nerven zu gehen!«
    Garraty sah auf seine Uhr. Zwanzig nach acht. Noch vierzig Minuten, bis das Essen kam. Er stellte sich vor, wie herrlich es sein müßte, in eins der kleinen Restaurants am Straßenrand zu gehen, den Hintern ganz sanft auf einen der gepolsterten Barhocker niederzulassen, die Füße auf die untere Stange zu stellen - Gott, allein diese Erleichterung! - und ein Steak mit gebratenen Zwiebeln und Pommes frites und als Nachtisch ein großes Vanilleeis mit Erdbeersauce zu bestellen. Oder vielleicht eine große Portion Spaghetti mit Fleischklößen mit italienischem Weißbrot und in Butter schwimmenden Erbsen als Beilage. Und Milch. Einen ganzen Krug Milch. Zur Hölle mit den Tuben und dem destillierten Wasser. Milch und feste Nahrung und ein Platz, an dem man in Ruhe sitzen und alles essen könnte. Wäre das nicht wunderbar?
    Vor ihnen hatte sich eine fünfköpfige Familie - Mutter, Vater, Tochter, Sohn und die weißhaarige Großmutter - unter einer großen Ulme eine Decke ausgebreitet und aß ihr Frühstück, das, soweit er sehen konnte, aus Sandwiches und heißem Kakao bestand. Sie winkten den Gehern fröhlich zu.
    »Das sind ja Irre«, murmelte Garraty verächtlich.
    »Wie bitte?« fragte McVries zurück.
    »Ich möchte mich auch hinsetzen und etwas essen. Sieh dir bloß diese Leute an. Bescheuerte Schweine!«
    »Du würdest es genauso machen«, sagte McVries und winkte der Familie, wobei er sich ein besonders strahlendes Lächeln für die Großmutter aufhob, die es, auf einem Eiersandwich kauend oder eher mummelnd, erwiderte.
    »Verdammt noch mal, nein. Ich würde nicht so dasitzen und essen, während eine Horde verhungernder -«
    »Na, na, wohl kaum verhungernd, Ray. Es fühlt sich nur so an.«
    »Na gut, dann eben hungriger -«
    »Der Geist ist stärker als der Körper«, sagte McVries beschwörend. »Der Geist ist stärker als der Körper, mein Sohn.«
    Sein Sprechgesang wurde zu einer schmierigen W. C-Fields-Imitation.
    »Zur Hölle mit dir, du willst es ja bloß nicht zugeben. Diese Leute da sind Tiere. Sie sind hergekommen, um das Gehirn von jemandem auf die Straße fließen zu sehen. Sie könnten sogar bald deines sehen.«
    »Darum geht es nicht«, erwiderte McVries ruhig. »Hast du mir nicht selbst erzählt, daß du einmal zum Marsch gegangen bist, als du noch ein Junge warst?«
    »Ja, da habe ich es noch nicht besser gewußt.«
    »Und deswegen war es wohl ganz in Ordnung, was?« Mc Vries stieß ein kurzes, häßliches Lachen aus. »Natürlich sind sie Tiere. Glaubst du, du hast da soeben eine neue Weisheit entdeckt? Manchmal frage ich mich, wie naiv du eigentlich bist, Ray. Die französischen Adeligen haben es nach den Guillotinierungen miteinander getrieben, und die alten Römer haben sich während der Gladiatorenkämpfe gegenseitig den Leib vollgestopft. Das ist Unterhaltung, Garraty, und absolut nichts Neues.« Er lachte wieder, und Garraty sah

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