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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anderer Gestank ist. Ich setzte Pris vor ihrer Wohnung ab und fuhr weiter zu meiner eigenen. Am Montag haben wir dann in der Schlafanzugfabrik angefangen. Es war nicht wie in den Filmen, Garraty. Ich stank nur noch nach Rohfaser, mein Vorarbeiter war ein Scheißkerl, und während der Mittagspausen haben wir mit unseren Sackhaken nach den Ratten geworfen, die sich unter den Stoffballen herumtrieben. Aber mir hat das nichts ausgemacht, denn ich war ja verliebt. Bis über beide Ohren verliebt, verstehst du, Garraty?«
    Er spuckte in den trockenen Staub, trank einen Schluck aus der Feldflasche und rief nach einer neuen. Sie stiegen jetzt einen langen, kurvigen Hügel hinauf, und er sprach mit kurzen, heftigen Atemzügen.
    »Pris arbeitete im ersten Stock, dem Schaukasten für all die blöden Touristen, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich durch die Fabrik führen zu lassen, in der ihre Schlafwäsche hergestellt wurde. Es war ganz nett da unten. Hübsche, pa-stellfarbene Wände, moderne Maschinen, Klimaanlage. Pris nähte von sieben bis drei Uhr Knöpfe an. Wenn man bedenkt, daß im ganzen Land Männer herumlaufen, deren Pyjamajacken von Knöpfen zusammengehalten werden, die Pris angenäht hat! Das könnte sogar das kälteste Herz erwärmen.
    Ich arbeitete im fünften Stock. Siehst du, im Keller wurde die Rohfaser gefärbt und dann durch ein Wannluftrohr in den fünften Stock hinaufgepustet. Sie klingelten mit einer Glocke, wenn eine Ladung fertig war, und ich öffnete dann meinen Kasten und fand eine Masse von rohen Stoffasern in allen Regenbogenfarben vor. Ich gabelte sie mit meinem Haken auf und stopfte sie in einen Zweihundertpfundsack, den ich meinem Nachbarn weiterreichte, der, sie dann auf einen großen Stapel von Zweihundertpfundsäcken für die Sortiermaschine hievte. Die Maschine trennte die Farben, die Webmaschine verwob die Fasern zu Stoff, ein paar Kerle zerschnitten ihn und nähten Pyjamas daraus, und ganz unten im hübschen, pastellfarbenen ersten Stock saß Priscilla und nähte die Knöpfe an, während die dämlichen Touristen sie und die anderen Mädchen dabei anglotzten - genauso, wie die Leute uns jetzt anstarren. Drücke ich mich verständlich aus, Garraty?«
    »Die Narbe«, erinnerte Garraty ihn.
    »Ich laß' mich immer wieder davon ablenken, nicht wahr?« McVries rieb sich den Schweiß von der Stirn und knöpfte sein Hemd auf. Der Hügel schien kein Ende zu nehmen. Vor ihnen streckte sich das Waldstück bis zum Horizont aus, in den ein paar Berggipfel ragten. Es sah so aus, als paßten der Himmel und die zackigen Berge wie Teile eines Puzzlespieles ineinander. Vielleicht zehn Meilen entfernt, beinahe im Hitzedunst verschwommen, hob sich ein Feuerwehrturm aus dem Grün hervor. Die Straße wand sich wie eine schlüpfrige, graue Schlange durchs Gelände.
    »Zu Anfang war alles ein Segen und eine Freude, Keats-ville total. Ich hab' noch dreimal mit ihr geschlafen, im Autokino, während der Kuhfladengestank der anliegenden Weiden durch die Autofenster drang. Ich kriegte die rohen Stofffasern nicht aus meinen Haaren heraus, egal, wie oft ich sie wusch, aber schlimmer war, daß sie sich langsam von mir distanzierte. Ich liebte sie über alles, wirklich, ich wußte das, aber es gab keine Möglichkeit mehr, es ihr so zu sagen, daß sie es auch verstand. Ich konnte es auch nicht in sie hineinficken, und die ganze Zeit war da dieser Kuhfladengestank.
    Das gemeinste aber, Garraty, war, daß wir auf Akkord arbeiten mußten. Das heißt, unsere Löhne waren lausig, aber wir kriegten für alles, was wir über ein bestimmtes Minimum hinaus schafften, Prozente. Ich war kein guter Arbeiter. Ich schaffte so um die dreiundzwanzig Säcke pro Tag, aber die Norm lag bei dreißig. Das machte mich bei den anderen nicht gerade beliebt, ich brachte sie aus ihrem Arbeitsrhythmus. Harlan unten in der Färberei brachte keinen richtigen Akkord zustande, weil ich sein Gebläse mit meinem vollen Kasten verstopfte. Ralf an der Sortiermaschine verdiente keinen or-deutlichen Akkordlohn, weil ich ihm nicht genug Nachschub besorgte. Es war nicht gerade angenehm. Ich meine, sie sorgten dafür, daß es ungemütlich wurde, verstehst du?«
    »Ja«, antwortete Garraty gedehnt. Er rieb sich mit der Hand über den Nacken und wischte sie an der Hose ab. Sie hinterließ dunkle Flecken.
    »Währenddessen war Pris unten in der gemütlichen Knopfannähabteilung beschäftigt. Abends redete sie dann stundenlang über ihre Freundinnen, und es war

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