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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihnen, Garraty!« rief jemand anderes, Barkovitch, wie ein Honigkuchenpferd grinsend und die Fäuste gegen die Polizisten schüttelnd. »Gib's ihnen!«
    Und jetzt schrien sie alle. Die Staatsbeamten waren nicht so abgebrüht wie die Soldaten beim Marsch, die extra aus der Nationalgarde auserlesen waren. Ihre Gesichter wurden rot und verlegen. Trotzdem schoben sie Dom L'Antio mit seinen frischen, rosa Melonen so schnell, wie sie konnten, vom Seitenstreifen weg.
    Dom hatte sein Englisch plötzlich vergessen oder aufgegeben; jedenfalls stieß er saftige italienische Flüche aus. Die Zuschauer pfiffen und buhten. Eine Frau mit einem Strohschlapphut warf ihr Transistorradio und traf einen der Beamten am Kopf. Seine Dienstmütze fiel herunter. Garraty tat ihr leid, aber er hörte nicht auf zu schreien und zu fluchen. Er schien gar nicht anders zu können. Wie war ihm bloß das Wort >Hurensöhne< eingefallen? Er glaubte nicht, daß jemand so ein Wort außerhalb von Büchern benutzte.
    Gerade als es so aussah, als ob Dom L'Antio endgültig von ihren Blicken entfernt würde, riß der kleine Italiener sich wieder los und rannte auf sie zu. Die Menge machte ihm begeistert Platz und versuchte, die Polizisten zurückzuhalten. Einer der Beamten warf ihm ein Seil nach, erfaßte seine Knie, und der kleine Mann fiel auf die Nase. Im letzten Augenblick warf er seine wunderschönen, grünroten Melonenstücke in hohem Bogen in die Luft.
    »Dom L'Antio liebt euch alle!« rief er.
    Die Menge schrie hysterisch. Dom landete mit dem Gesicht im Dreck, und seine Hände wurden ihm augenblicklich auf dem Rücken mit Handschellen zusammengebunden. Die Melonenstücke wirbelten durch die warme Luft, und Garraty hob laut lachend seine Arme in die Höhe und schüttelte triumphierend die Fäuste, als er sah, wie Abraham eins davon mit nonchalanter Geschicklichkeit auffing.
    Andere Geher wurden zum drittenmal verwarnt, als sie stehenblieben, um die Stücke aufzusammeln, aber erstaunlicherweise wurde niemand erschossen. Fünf, nein, sechs Jungen hatten ein Stück Melone erwischt. Der Rest jubelte ihnen zu oder fuchte auf die unbeweglichen Soldaten, in deren Gesichtern sie nun doch unterdrückten Ärger zu erkennen glaubten.
    »Ich liebe euch alle!« rief Abraham. Sein lachendes Gesicht war mit rosafarbenem Wassermelonensaft verschmiert. Er spuckte drei braune Kerne in die Luft.
    »Gottverdammt!« rief Collie Parker glücklich. »Ich will verdammt sein, wenn das hier nicht super ist!« Er grub das Gesicht in sein Melonenstück, knabberte hungrig daran, und brach es plötzlich in zwei Hälften. Die eine Hälfte warf er zu Garraty hinüber, der sie vor Überraschung fast in den Staub fallen ließ. »Da hast du auch was, Hinterwäldler!« rief er. »Sag ja nicht, ich hätte dir nie was zukommen lassen, Tolpatsch!«
    Garraty lachte. »Geh und fick dich selber!« Die Melone war kalt, herrlich kalt. Der Saft lief ihm in die Nase, am Kinn herunter und - lieblicher, süßer Himmel - in die Kehle.
    Er aß nur die Hälfte. »He, Pete!« rief er und warf ihm das restliche Stück zu. McVries fing es mit einer eleganten Handbewegung auf, die einen geübten Baseballspieler im College, vielleicht auch einen guten Bundesligaspieler ausmachte.
    Garraty blickte sich um und spürte plötzlich eine überschwengliche Freude. Sein Herz klopfte wild, und am liebsten wäre er auf den Händen im Kreis gelaufen. Fast alle hatten ein Stück Melone abbekommen, auch wenn es nur ein Same mit einem daranhängenden rosa Fleischfetzen gewesen war.
    Stebbins bildete wie üblich eine Ausnahme. Er blickte auf die Straße und hatte nichts in den Händen, kein Lächeln auf dem Gesicht.
    Ach, scheiß auf ihn, dachte Garraty. Doch die Freude war ihm ein wenig verdorben, und seine Füße wurden wieder schwer. Er wußte, es lag nicht daran, daß Stebbins nichts abbekommen hatte oder daß er nichts wollte. Stebbins brauchte es nicht.
    Halb drei. Sie waren einhunderteinundzwanzig Meilen gegangen. Die Gewitterwolken kamen näher. Eine kleine Brise erhob sich und kühlte Garratys erhitzte Haut. Es wird bald regnen, dachte er. Gut.
    Die Zuschauer am Straßenrand rollten ihre Picknickdecken zusammen, liefen davonwirbelnden Papierstücken hinterher und packten ihre Körbe ein. Der Sturm brauste gemächlich auf sie zu, die Temperatur sank schlagartig, und es war, als wäre es plötzlich Herbst geworden. Garraty knöpfte sich schnell das Hemd zu.
    »Jetzt geht's wieder los«, sagte er zu Scramm. »Du

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