Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
von dem Anruf heute Nacht vorgespielt habe.«
Hellmer hielt sein Handy bereits in der Hand und tippte emsig auf das Tastenfeld. »Sekunde noch«, sagte er angespannt, »wenn ich es richtig anstelle, dann sollten wir jetzt die Aufzeichnung hören … dieser Schreck … ein echtes Genie, was der alles hinkriegt …«
Julia Durant war erstaunt, wie klar der Text aus dem Handylautsprecher zu hören war.
»Alexander Bertram befindet sich in einem Haus in der Falkensteiner Straße 1 bei Königstein. Er folgte Carlo Stiegler, wenn sein Weg auch etwas länger war.«
Die Nachricht wies ebenso wie die erste einige auffallende Betonungen auf, hier waren es die Ortsnamen – sie klangen wie »Falgenn-steyn« und »Könichs-steyn« –, die besonders hervorstachen. Das »wenn« war eher fragend betont, dafür ging das »auch« beinahe unter.
»Derselbe Sprecher beziehungsweise dieselbe Computerstimme«, folgerte sie.
»Ja, und der Täter stellt eine unmissverständliche Verbindung zu Stiegler her«, bekräftigte Hellmer.
»Allerdings.« Julia überlegte kurz. »Okay, dann haben wir also eine Computerstimme, die die reale Stimme des Anrufers verschleiern soll. Gleichzeitig teilt er uns mit, dass der zweite Tote dem ersten folgt und seiner Ansicht nach beide den Tod verdient haben.«
»Und dann diese blutigen Zeilen«, grübelte Hellmer. »Meinst du, der Täter möchte sich damit von uns verabschieden?«
»Wie kommst du darauf?«
»Nun, es klingt so endgültig.«
»Hm, Stiegler und Bertram«, grübelte Julia, »dazu Led Zeppelin, die auch auf den Videos spielen, und eine noch nicht zu bestimmende Anzahl toter Mädchen … Wie sieht das für dich aus?«
»Zwei Täter?«, spekulierte Hellmer, und sie klatschte zufrieden in die Handflächen.
»Genau! Es kann nicht anders sein. Bertram tötete die Frauen, Stiegler war in irgendeiner Weise daran beteiligt, und nun bringt jemand die beiden um.«
»Also Rache?«
»Sieht danach aus«, nickte sie. »Wusstest du, dass das Heraustrennen von Augen in den verschiedensten Kulturen auf der ganzen Welt als Ritual verwendet wird, um der Seele den Austritt aus dem Körper zu verwehren?«
»Wenn du das sagst …« Hellmer fuhr sich über die Stirn. »Ich dachte, die Seele wäre eine Erfindung von euch Christen, genau wie die Hölle.«
»Moment mal«, wehrte Julia ab, »wir haben vielleicht nicht alle dieselben Bezeichnungen, aber Paradies und Verdammnis, Schuld und Sühne oder die ganzen Prinzipien von Opfer- und Läuterungsritualen gibt es wohl in jedem Kulturkreis.«
»Ja, ich glaube dir, lass gut sein«, beschwichtigte Hellmer sie schnell. »Es klang nur zuerst etwas weit hergeholt.«
»Aber irgendwie auch logisch, oder?«
»Schon. Zumindest ist es neben den analen und genitalen Verletzungen ein weiteres Indiz für eine lange und grausame Hinrichtung. So etwas tut man nicht ohne Grund, jedenfalls nicht, wenn man halbwegs klar in der Birne ist. Warte mal …«
Hellmer griff sich in die Jacke und zog sein vibrierendes Handy hervor. »Sabine«, kommentierte er rasch, bevor er den Anruf entgegennahm. Julia kniff die Augen zusammen und versuchte vergeblich, der Stimme ihrer Kollegin zu folgen.
»Warte mal, Sabine, ich stell dich laut«, sagte Hellmer in diesem Moment, und schon hörte die Kommissarin ein abgehacktes: »Ja, gut.«
»Guten Morgen, ich wusste gar nicht, dass du im Büro bist«, begrüßte Julia ihre Kollegin.
»Frag nicht«, erwiderte Sabine, »aber es hat sich tatsächlich gelohnt, hier steht das Telefon nicht mehr still.«
»Dann leg mal los«, forderte Julia Durant ungeduldig.
»Ich habe eine Meldung aus München reinbekommen«, begann Sabine eifrig. »Es wurde der Teilabdruck eines Zeigefingers gefunden, und zwar auf der Rückseite des Vertrags der Autovermietung. Er hatte genügend Minuzien für eine Datenbankabfrage.«
»Gut, es geht also voran«, kommentierte Hellmer.
»In großen Schritten, lieber Frank«, bestätigte Sabine. »Und wenn du mich noch ein wenig fortfahren lässt, dann präsentiere ich euch den absoluten Bringer.« Sie atmete einmal tief durch und fügte hinzu: »George Sinclair ist niemand anderes als Jonas Mason.«
Mason, Mason … Fieberhaft durchforstete Julia Durant ihre Erinnerungen. Ihr fiel die ermordete Jennifer ein. Sicher, es gab in der Familie des Mädchens einen einflussreichen Vater, aber der hieß nicht Jonas. Doch dann dämmerte es der Kommissarin, offenbar zeitgleich mit ihrem Kollegen Hellmer.
»Jennifers
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