Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Auf beiden Aufnahmen war ein silberner CD-Player, dessen leuchtend blaues Display darauf schließen ließ, dass er eingeschaltet war. »Der Mason-Tatort«, hauchte Julia, und sie wusste, es würde ihr nicht gefallen, was immer Sabine und Frank ihr nun präsentieren würden.
»Also pass auf«, begann Kaufmann triumphierend. »Ich hatte den anderen Kollegen am Telefon, Marcus Hesse von der Funkstreife. Der hat erst ein wenig herumgedruckst, aber dann habe ich aus ihm herauskitzeln können, dass am Tatort tatsächlich Musik lief. Weiter habe ich auch gar nicht gebohrt, es war ihm recht unangenehm, aber er hat die Möglichkeit eingeräumt, dass jemand sie leise gedreht hat.«
»Jemand?«, wiederholte Durant.
»Ja, ist doch erst einmal egal. Kullmer hat selbst gesagt, dass auf einer Party nun mal Musik läuft. Irgendjemand macht die dann eben im Laufe der Ermittlung aus. Wenn es einen Toten in der Disco gibt, schaltet man zur Tatortuntersuchung ja auch die Beschallung und die Stroboskope ab.«
»Schon okay, weiter im Text«, sagte Julia ungeduldig.
»Auf den beiden Bildern erkennt man die Anlage. Du siehst, wie groß das Display ist, oder?«
»Ja.«
»Die Aufnahmen sind digital, das hat uns zunächst Sorgen bereitet, manchmal sind sie etwas grobkörnig, aber diese waren hochauflösend genug, dass uns die Forensik die Ausschnitte problemlos vergrößern konnte.«
Sabine Kaufmann legte zwei weitere Aufnahmen auf den Schreibtisch, und Julia Durant betrachtete die erste mit zusammengekniffenen Augen.
»Die Qualität ist nicht besonders, weil es nur ein schneller Fotoausdruck ist, für mehr war keine Zeit. Aber die aufbereiteten Bilddateien bekommen wir jederzeit auf Anfrage«, erklärte Kaufmann.
»A, Ypsilon, T, O und H«, las Julia vor. Das blaue Display nahm fast den gesamten Ausdruck ein, es gab sieben Anzeigefelder im Flüssigkristall, ähnlich denen eines Taschenrechners, und in grauen, unscharfen, aber noch lesbaren Digitalbuchstaben waren die Buchstaben zu entziffern. Zwischen Y und T sowie zwischen O und H war ein Feld frei.
Hellmer schob einen Papierbogen über die Schreibtischplatte. Auf ihm stand der Songtitel STAIRWAY TO HEAVEN in Großbuchstaben, und um die entsprechenden Buchstaben hatte er rechteckige Kästchen gezogen.
»Na, fällt dir was auf?«, fragte er.
»Hm, könnte genauso gut das Mittelstück von Highway to Hell sein.« Durants Blicke wanderten bereits zum zweiten Bild. Hier standen, mit einem Freizeichen zwischen dem N und S, die Buchstaben N, S, T, A, I und R. Sie schluckte.
»Na, erkennst du es?«, fragte Sabine. »Ich habe noch keine umfassende Titelsuche veranlasst, aber ich bin der Meinung, dass zwei Fotografien, kurz hintereinander aufgenommen, wie man dem Zeitindex entnehmen kann, mit diesen beiden Titelfragmenten in der Anzeige die Möglichkeiten schon stark eingrenzen, oder?«
»Wow.« Julia Durant war in der Tat froh zu sitzen. Eines war sicher: Dass an beiden Tatorten derselbe Song gespielt wurde, ließ die anderen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Mordfällen in einem neuen Licht erscheinen.
Dienstag, 18.10 Uhr
J ulia Durant verließ das Präsidium zu Fuß. Zum Joggen war das heiße Wetter nicht geeignet, das machte ihr Kreislauf nicht mit, aber die Spaziergänge morgens von ihrer Wohnung durch den Holzhausenpark in Richtung Präsidium und abends wieder zurück waren ein angemessener Ersatz. Die Strecke war in zwölf Minuten bequem zu schaffen, Julias Rekord lag bei neun. Für den Rückweg ließ die Kommissarin sich meist etwas mehr Zeit, schlenderte durch die gepflegte Grünanlage, die Kastanienallee oder machte halt in einem der kleinen Läden. Dabei versuchte die Kommissarin, sich nicht allzu oft von der kleinen Trinkhalle in Versuchung führen zu lassen, einem halbrunden Kiosk mit Blick auf die Holzhausenstraße, an dem es neben allerlei Süßwaren und Zeitschriften natürlich auch Zigaretten und Dosenbier gab. Die Trinkhalle war eine von vielen im gesamten Stadtgebiet, und der Frankfurter Volksmund bezeichnete sie liebevoll als Wasserhäuschen, was mit ihrer historischen Funktion zusammenhing. Früher, so hatte Durant sich von einem Einheimischen belehren lassen, war das Leitungswasser der Stadt von so schlechter Qualität gewesen, dass man gut daran tat, es nur abgekocht zu erwerben. So entstanden zur Zeit der Industrialisierung bald über siebenhundert solcher Verkaufsstellen, von denen heute noch ein Drittel übrig war. Es gab hier natürlich keinen Rotwein,
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