Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
Vom Netzwerk:
schon gar keinen französischen, und Julia Durant war in ihrem Jahr bei Susanne Tomlin durchaus auf den Geschmack gekommen. Aber alte Gewohnheiten legt man nicht gerne ab, schon gar nicht in einem solchen Sommer, wo ein kühles Bier, und sei es nur ein Radler, dazu einlud, einen schweißtreibenden Tag ausklingen zu lassen. Und dazu eine, nur eine einzige Zigarette. Mädchen, du bist sechsundvierzig, ermahnte Julia sich dann immer, pass mal ein bisschen auf dich auf.
    Sie betrat das Haus, ohne an der Trinkhalle haltgemacht zu haben, sah im Briefkasten nach und ärgerte sich, dass es noch immer Werbesendungen gab, die an ihre Sachsenhäuser Anschrift adressiert waren. Außer der bunten Postwurfsendung eines Ökostromanbieters, der falsch adressierten Werbesendung und einer Rechnung, die sie längst bezahlt hatte, war nichts gekommen. Julia ging die Treppe hinauf, schloss die Wohnungstür auf und betrat ihr elegantes Domizil. An der Grundausstattung hatte sie kaum etwas verändert, Susannes Geschmack war ihrem einfach zu ähnlich. Zudem hätte sie niemals dreitausend Euro für eine Couchgarnitur ausgegeben. Und ein einfacher Posterdruck von Hundertwassers farbenfrohem Gemälde zu den Olympischen Spielen 1972 hätte es wohl auch getan, das Bild gefiel Julia schon allein, weil es sich auf München bezog, aber den Unterschied zwischen einem Poster für fünfzehn Euro und einer limitierten Serigraphie für das Hundertfache konnte sie nicht nachvollziehen. Den amerikanischen Kühlschrank hingegen, der auf Wunsch sogar Eiswürfel produzierte, hatte Julia Durant längst ins Herz geschlossen.
    Sie schlüpfte aus ihren Schuhen, knöpfte sich die Bluse auf und genoss die angenehme Kühle des Wohnzimmers. Siehst du, du brauchst gar kein kaltes Bier, dachte sie und entkorkte mit dem Daumen eine Flasche Wein, die sie am Wochenende angebrochen hatte. Im Vorbeigehen hatte sie bereits registriert, dass das rote Display des Telefons drei Anrufe anzeigte, sich aber keine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter befanden. Das kann ja dann nur einer sein, dachte sie lächelnd, entnahm dem Kühlschrank Butter und Salami, schmierte sich zwei große Scheiben Brot und haderte einen Augenblick mit sich, ob sie tatsächlich in den Küchenschrank greifen sollte, zwischen die Müslischalen, wo die Zigaretten lagen. Nein, jetzt nicht, entschied sie sich und begab sich zurück ins Wohnzimmer, wo sie den Laptop aufklappte und sich, während er das Betriebssystem lud, einen herzhaften Biss in das Brot gönnte.
    Zehn Minuten später war die Mahlzeit beendet, es hatten sich keine wichtigen Mails im Posteingang befunden, nur unerträglich viel Werbung und eine Erinnerungsmail an das Konzert von Guns N’ Roses in zwei Monaten in London. Sechsundvierzig, dachte Julia erneut. Tu dir das nicht an. Sie nippte am Wein und wählte die Nummer ihres Vaters.
    Es hatte kaum zum zweiten Mal geklingelt, da meldete sich auch schon die wohlvertraute, aber müde klingende Stimme. »Durant.«
    »Hi Paps, ich bin’s.«
    »Ach, schön, dass du dich meldest. Ich wollte es nicht auch noch auf dem Handy versuchen.«
    »Ich wollte dich schon längst angerufen haben, na ja, der Job, du kennst das ja, wenn man immer für seine Schäfchen Gewehr bei Fuß stehen muss.«
    Julia Durants Vater lebte in der Nähe von München und war Pfarrer im Ruhestand, ehrenamtlich tätig in der Seelsorge und gelegentlich als Vertretung für seine Kollegen tätig, zum Beispiel im Krankheitsfall oder zur Urlaubszeit.
    »Ein interessanter Vergleich, mein Kind, die Polizei und die Kirche, beide arbeiten ja auch mit den verlorenen Schafen, nun, das könnten wir mal abendfüllend diskutieren.«
    »Aber bitte nicht heute, Paps, das machen wir, wenn du hier bist, ja?«
    »Darüber wollte ich mit dir reden, ich befürchte, das müssen wir verschieben.«
    Julia hatte ihren Vater an Weihnachten besucht und mit ihm ein paar wundervolle Tage verbracht, an denen die nagende Einsamkeit sowohl für den alten Witwer wie auch für sie selbst für einen Moment in weite Ferne gerückt war. In Frankfurt hatte er sich hingegen schon lange nicht mehr blicken lassen, er wolle nicht mehr reisen, war seine Ausrede, doch nun hatte Julia darauf bestanden, ihn in ihre neue Wohnung einzuladen. Vor zwei Jahren war er zum letzten Mal hier gewesen, damals, als Susanne ihr den Schlüssel überreicht hatte.
    »Ach Mensch, jetzt sag bloß, du willst schon wieder kneifen?«, rief Julia enttäuscht. »Was ist es denn diesmal?

Weitere Kostenlose Bücher