Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
wohin fliegen wir in diesem Rettungshubschrauber – zum Landeplatz vor dem Sheriff’s Office?«
»Nach Reno«, erwiderte Haugen. »Am Flughafen wartet Peter Reiniger mit einem voll aufgetankten Privatjet, der uns überallhin fliegen kann.«
»Also los«, sagte Sabine.
Ratner hob die Hand. »Nicht so schnell. Ich brauche eine Garantie, dass ich meine fünfzig Prozent kriege.«
»Hast du deine Kontonummer dabei?«, fragte Haugen.
Ratner lachte verächtlich. »Ich will es in bar.«
Haugen nickte, ohne zu zögern. Was für ein Blödmann. Die Sache war viel einfacher, als er befürchtet hatte. »Schön. Und als Garantie für deine Sicherheit laufe ich auf dem ganzen Weg zum Helikopter vor dir her. Das ist auch die Garantie für meine Sicherheit. Denn damit du das Geld bekommst, muss ich am Leben sein, um meiner Bank den Zugangscode und die Überweisungsdaten durchzugeben. Sabine kennt diese Informationen nicht, nur ich. Ich muss bei Bewusstsein sein und reden können. Außerdem wird das alles sowieso erst über die Bühne gehen, wenn wir Peter Reiniger vor uns haben.«
Ratner überlegte offenbar angestrengt. Der brennende Blick seiner aus eingesunkenen Höhlen starrenden Augen war voller Verschlagenheit. Die weiße Schlange um seine Iris verriet mehr, als er wusste. Er rechnete überall mit Nattern, weil er selbst eine war. Doch er konnte keinen Makel in Haugens Argumentation entdecken.
»Hättest mich von Anfang an mitmachen lassen sollen bei der Sache«, knurrte er. »Dann wär das alles nicht passiert. Wir würden schon längst irgendwo gemütlich auf einer Jacht sitzen und eine Zigarre paffen.«
»Beim nächsten Mal weiß ich es besser«, erwiderte Haugen. Hohlkopf. Sobald er Autumn hatte, konnte er Ratner beseitigen. Der Idiot hatte zwar Stringer erledigt, aber er wusste nicht, dass Von noch lebte.
»Und jetzt will ich ein echtes Lebenszeichen. Lass mich mit Autumn reden.«
Ratner deutete auf das Walkie-Talkie in Haugens Hand. »Dreh die Lautstärke hoch und hör gut zu. Sie ist auf Sendung. Daddys kleine Prinzessin spielt nonstop ihre Top Forty.«
55
Jo drang tiefer in die Mine vor. In der linken Hand hatte sie die Taschenlampe, in der rechten das Jagdmesser. Mit größter Aufmerksamkeit behielt sie den Weg im Auge und zählte ihre Schritte. Ihr war jedes Mittel recht, um sich auf die Suche nach Autumn zu konzentrieren und sich von dem Gefühl abzulenken, dass ihr in der Dunkelheit die Kehle zugeschnürt wurde. Kurz schielte sie zurück zu dem schon so fernen Rechteck aus Sonnenlicht im Eingang. Lauernd schlich sich die Klaustrophobie an. Nein. Das darf ich nicht an mich heranlassen.
Sie schwenkte die Taschenlampe über den Boden. Wie gern hätte sie jetzt Klettergurt und Seile dabeigehabt. Eilig passierte sie den Seitenschacht, in den Wylies Leiche geworfen worden war. Als sie zu der Flutgrube mit den Spießen kam, machte sie kürzere Schritte.
Nach einem tiefen Atemzug sprang sie hinüber. Landete rutschend im Staub und rannte weiter.
»Autumn?«
Plötzlich vibrierte ihr Telefon. Erschrocken steckte sie die Taschenlampe unter den Arm und zog das Handy heraus. Evan hatte ihr eine SMS geschickt, die sie mit großem Staunen las.
Dann hörte sie einen erstickten Schrei.
»Autumn?«
Schnell verstaute sie das Telefon und hastete um die Kurve. Hinter ihr verschwand der Eingang.
Im Strahl der Taschenlampe erkannte sie fünfzig Meter weiter vorn die Gabelung im Stollen.
Das erstickte Rufen kam von links. Sie legte die Hand an die Wand. Kalter Stein, aber fest. Mühsam zwang sie sich zum Weitergehen. Sie konnte nur den schmalen Lichtkegel der Lampe erkennen, der über Fels und weiche Erde auf dem Boden huschte. Das Licht fiel auf ein Rattenauge, winzig und glühend. Das Tier machte kehrt und floh.
»Autumn, wo bist du?«
In der lockeren Erde waren Fußspuren in beide Richtungen zu erkennen. Wieder hörte sie einen gedämpften Schrei.
Allmählich senkte sich die Decke des Stollens herab. Geduckt schlich sie um die nächste Biegung.
Glitzernde Augen.
Sichtlich verschreckt starrte Autumn in den Lichtstrahl. Ihr goldenfarbener Pullover wirkte fehl am Platz in seiner Heiterkeit. Geknebelt und gefesselt lag sie am Ende des Stol lens. Mit dem Gesicht nach unten, die Hände hinter den Rü cken gebunden, der Rücken durchgedrückt, die Füße hochgezurrt.
Auf der Erde neben ihrem Gesicht war ein Walkie-Talkie mit festgeklebter Sprechtaste.
Ratner war ein gerissener Dreckskerl. Auf diese Weise wollte er
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