Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)

Haugen beweisen, dass Autumn lebte, ohne ihr Versteck zu verraten. In einem Stollen voller Ratten würde sie zwangsläufig irgendwelche Laute ausstoßen, die man dann über Funk hören konnte. Falls das Walkie-Talkie so tief in der Mine überhaupt funktionierte.
    Jo packte es und entfernte das Klebeband. Wenn das Gerät tatsächlich lief, wollte sie nicht ihre Gegenwart verraten.
    Der Strick, mit dem Autumns Füße hinter ihren Rücken gebunden waren, endete in einer Schlinge um ihren Hals. Es war eine Folterfesselung: Damit das Seil schlaff blieb, musste das Opfer den Rücken durchdrücken, den Kopf nach hinten schieben und die Beine gebeugt halten. Wenn es diese Stellung nur um wenige Zentimeter lockerte, spannte sich das Seil, und die Schlinge strangulierte das Opfer.
    Jo beugte sich über sie. »Gleich bist du frei.«
    Sie legte die Taschenlampe weg und hob das Jagdmesser, um den Strick zu durchtrennen. Doch Autumn schrie durch den Knebel. Verstört funkelnd flehten ihre Augen: nicht.
    Jo hielt inne. Ratner hatte die Flutgrube als Falle präpariert, bevor er Lark an den Balken band. Hatte er sich bei Autumn eine ähnliche Gemeinheit einfallen lassen?
    Erst jetzt bemerkte Jo, dass das Seil nicht in einer einfachen Schlinge um Autumns Hals gewunden war. Der Strick war nur einen Zentimeter dick und sah aus wie eine Zündschnur. Er lief zweimal um den Hals und dann über ihren Rücken in den Pullover.
    In Autumns Augen leuchteten helle Tränen. Sie bemühte sich nach Kräften, stillzuhalten, konnte aber ihr Zittern nicht beherrschen.
    »Kann ich den Knebel durchtrennen?«, fragte Jo.
    Autumn zwinkerte. Ja. Behutsam schob Jo die Klinge des Jagdmessers unter den dreckigen Stofffetzen und schnitt ihn durch. Zuletzt zog sie Autumn ein zusammengeknäueltes Stück Hemd aus dem Mund.
    »Nicht an dem Strick ziehen.« Hektisch schnappte Autumn nach Luft und kämpfte gegen das Weinen an. »Er hat …«
    Wie versteinert starrte Jo auf Autumns Pullover. Der Stoff hing locker über dem durchgedrückten Rücken.
    Unter dem Pullover war etwas. Es bewegte sich.
    Jo atmete scharf ein. »Eine Schlange?«
    »Schlangen.«
    Jo bekam schlagartig Gänsehaut vom Kopf bis zu den Füßen.
    »Junge Klapperschlangen. In einem Leinensack. Er hat ihn mit dem Strick um meinen Hals zugebunden. Einfacher Laufknoten. Wenn ich die Beine strecke, löst er sich.«
    Und die Schlangen kamen aus dem Sack. Wach und gewärmt, aufgeregt von der Gefangenschaft in der Nähe eines verängstigten Menschen.
    Jo leuchtete mit der Taschenlampe über Autumns Rücken. Sie zuckte zusammen. »Oh.«
    Der Sack beulte sich.
    Junge Klapperschlangen besaßen ein starkes Gift und keine Erfahrung beim Angriff auf ein Opfer. Oft schütteten sie bei einem Biss ihr gesamtes Gift aus.
    Jo widerstand dem inneren Drang, die Hände einzuziehen und auf dem Hintern davonzurutschen. Wenn sich Autumn zusammenriss, konnte sie das auch.
    »Dann schneide ich zuerst das Seil um deine Füße durch.«
    »Genau.«
    »Zieh die Beine noch ein bisschen fester an.«
    Autumn schaffte es, noch zwei Zentimeter zu gewinnen. Behutsam griff Jo nach dem Strick über Autumns Knöcheln, stützte den Arm am Knie ab und durchtrennte die Fes sel. Wimmernd vor Erleichterung, streckte Autumn die Beine aus.
    Dann schnitt Jo auch den Knoten um ihre Hände durch. Langsam legte sich Autumn flach auf den Bauch. Erschauernd unterdrückte sie ihre Tränen. Noch immer schlang sich das Seil um ihren Hals und lief unter den Pullover.
    »Jetzt müssen wir nur noch den Sack wegziehen«, flüsterte Jo.
    »Ja. Das Ganze dient nicht nur dazu, dass ich ruhig bleibe. Es ist eine Falle.«
    »Was?«
    »Kyle meint, das bringt den Obermacker zum Ausrasten. Bumm. «
    »Haugen, ich weiß.«
    Autumns Blick huschte zu Jo. »Dane Haugen?«
    »Er steckt hinter der Entführung.«
    »Aber … er ist der, der damals die Party gegeben hat. Wo der Böse Cowboy …«
    »Peyton hat es mir erzählt.«
    Autumn erstarrte. »Ist sie …«
    »Es geht ihr gut.«
    In Autumns Gesicht spiegelte sich Erleichterung. Dann Verwirrung und Furcht. »Es geht also um Rache? Haugen hat uns gekidnappt, um es meinem Dad heimzuzahlen, weil er ihn gefeuert hat?«
    Als sie zu schlucken versuchte, zog sich die Schlinge enger um ihren Hals. Verzweifelt schloss sie die Augen. »Bitte sag mir, du kannst den Sack da rausholen.«
    »Ich arbeite noch dran.« Jo musste an Haugen denken. Das bringt den Obermacker zum Ausrasten. Bumm.
    Evans SMS hatte ihr genau erklärt, was