Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
mir davon nichts gesagt?«
»Ich wollte ja, aber du hast mich unterbrochen.«
Einen eisigen Augenblick lang starrte er reglos auf die Leiche. Dann glitt sein Blick zu Ritter und dem Hummer.
Schließlich nahm er Sabine am Arm. »Du kommst mit mir ins Schnellboot. Wir beaufsichtigen Autumn.« Er deutete auf Stringer. »Du fährst den Volvo zum Hafen. Von und Friedrich nehmen den Hummer und folgen dir – mit Ritter. Wenn wir es schlau anpacken, profitieren wir sogar von dieser Verwicklung.«
»Hab kein gutes Gefühl mit diesem Ritter«, meinte Stringer.
»Was wir mit ihm machen, entscheiden wir später. Im Moment müssen wir vor allem die vielen Leute und die Limousine hier wegschaffen und aus San Francisco verschwinden.«
Stringer nickte, knallte die Heckklappe zu und rannte zurück zum Strand. »Alle in den Hummer, los.«
Noah Holloway, Peyton Mackie und Ritter folgten ihm zu dem flammenübersäten Luxusgefährt.
Sabines Gesicht war ausdruckslos. Sie wusste, dass sie jetzt nicht mehr zurückkonnten. Sie zog die Maske wieder nach unten.
Zusammen liefen sie über den Strand und durchs Wasser zum Schnellboot. Von zog sie an Bord. Eifrig wandten sich Autumn, Lark, Cody Grier und der angeheitert wirkende Dustin Cameron zu Haugen um.
»Kann’s losgehen?«, fragte er.
»Endlich. Ich hab für heute noch ein paar Diebstähle geplant«, antwortete Autumn.
»Haben wir das nicht alle?« Haugen drückte den Gashebel nach vorn und ließ das Boot nach einer Drehung des Steuers über die Bucht zischen.
9
Der Eingang zu der verlassenen Mine klaffte in der Bergwand. Jo hielt sich zurück. Die hölzernen Tragebalken waren verwittert und morsch. Drinnen herrschte Leere, düster und bedrohlich. »Da stimmt einfach was nicht. Die ganze Sache stimmt nicht.«
Die Vorstellung, dass Phelps Wylie zufällig hierhergewandert war oder dass er sich absichtlich in den Schacht gestürzt hatte, um Selbstmord zu begehen, war schlichtweg lächerlich.
Gabe nahm eine Taschenlampe aus dem Rucksack und kauerte sich vor den Eingang. Der grelle weiße Strahl fiel auf Schutt, Tierexkremente, eine leere Wasserflasche aus Plastik. Der Stollen wirkte wie ein Schlund.
»Willst du reingehen?«, fragte er.
Jo betastete einen Tragebalken. »Nicht ohne mich anzuseilen.«
Sie wandte sich um und ließ den Blick über die kiefernbewachsene Bergwand gleiten. In den Hang war eine frische Schneise gebrochen worden; eine tiefe Wunde, wo die Schlucht von der Wucht einer reißenden Strömung voller Geröll ausgewaschen worden war.
»Auf jeden Fall läuft die Flutrinne in die Mine. Ich kann verstehen, warum die Sheriffs dachten, dass Wylie vom Wasser in den Tod gerissen wurde. Wenn man die Satellitenfotos nicht kennt, ist das eine logische Schlussfolgerung.« Sie wischte sich die Hände an der Jeans ab. »Ich muss den Schacht sehen, in dem seine Leiche gefunden wurde.«
Sie streifte ihren Klettergurt über und befestigte das Ende des Seils daran. Gabe schlang es sich um die Hüften und hielt es fest, um sie aufzufangen, falls der Boden des Bergwerks einbrach.
»Gib Laut, wenn du auf eine Mumie stößt«, sagte er. »Oder auf einen Mutanten mit Kettensäge.«
»Blödmann.«
»Zu Diensten, Chica.« Er reichte ihr die Taschenlampe und umklammerte das Seil mit festem Griff. Sein Lächeln hätte fast genügt, um ihre Ängste zu zerstreuen.
Vorsichtig trat Jo in die Mine und ließ den Lichtstrahl durch das Dunkel streichen. Obwohl die Decke eine Handbreit über ihr war, zog sie den Kopf ein. Wie eine Spinne kroch ihr ein Schauer über den Rücken. Es schnürte ihr die Kehle zusammen, und die alte Verzweiflung brandete in ihr hoch: Kleine Räume stürzen ein. Der Wind jammerte wie eine gespenstische Pfeifenorgel.
Schluss jetzt. Beruhig dich. Sie zwang sich zu atmen. Die Wände waren aus kühlem Stein. Tausende von Kerben waren hineingemeißelt. Sie fragte sich, ob dieses Loch jemals irgendjemandem Reichtümer beschert hatte.
Oder ob Wylie auf etwas in dieser Richtung gehofft hatte.
Nach fünfzig Metern fand sie den Abhang. Ein vertikaler Seitenschacht mit einem Durchmesser von knapp einem Meter, der zehn Meter tief abfiel und mit Fels und Minenschutt endete.
Sicher, es war denkbar, dass Wylie von einer Sturzflut so weit in das Bergwerk und dann über die Kante des Schachts gespült worden war. Doch sie wurde das Gefühl nicht los, dass hier etwas anderes passiert war.
Mühsam drängte sie die Empfindung zurück, dass sich die Wände ächzend ausbeulten
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