Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
das sich gleich darauf schnurrend entfernte. Gefolgt vom Schwarm der Lakaien, verschwand es im Verkehr.
Überfall? Von wegen. Keiner von Wylies Mandanten wollte mit ihr reden. Nur wenige hatten sich zu einem »kein Kommentar« herabgelassen. Die anderen hatten ihre Anrufe einfach nicht entgegengenommen. Higgins war ihre letzte Chance gewesen.
Vielleicht war es Zeit heimzufahren. Sie drehte ab und steuerte auf das Parkhaus zu. Sie konnte schon das schmerzvolle Stöhnen ihrer Kreditkarte hören. Dann piepte ihr Telefon.
Eine SMS von Jo. Sie ging langsamer. Nein, es waren drei Nachrichten. Sie öffnete die erste und blieb wie angewurzelt stehen.
Wylies zweites Handy gefunden. Wurde mit Auto entführt. Fuhr unter ZWANG in die Sierras.
Evans Lippen öffneten sich.
Wylie hat Gespräch während Fahrt aufgenommen. Zweite Person im Auto. Gewaltanwendung.
»O Gott.«
Mehr später.
Hastig öffnete sie die zweite SMS . Sie enthielt Wylies Handynummer und seine Anrufliste. Daten beschädigt , warnte Jo. Tatsächlich zeigten die letzten Anrufe nur unvollständige Nummern. Aber die meisten umfassten die ersten sieben Zahlen einschließlich Ortsvorwahl.
Jos dritte Nachricht enthielt die Log-in-Angaben für ihre Mailbox.
Habe Wylies Aufnahme an meine Mailbox geschickt. Hör’s dir an. Muss das Handy zum Sheriff’s Office in Sonora bringen. Melde mich, sobald Signal besser.
Evan strahlte das Telefon an. »Ach Jo, ich hab doch gewusst, dass du mir nicht ohne Grund sympathisch warst.«
Mit fliegendem Puls versuchte sie, Jo zurückzurufen. Doch sie stieß nur auf eine Konserve. Die Nummer, die Sie gewählt haben, ist nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später erneut.
Dunstiger Wind wehte. In der Nähe fand sie eine Bank und rief mit zitternden Fingern Jos Mailbox an. Sie loggte sich ein.
Und auf einmal hörte sie Wylies Stimme. »Wohin fah ren wir?«
Ein eisiges Kribbeln kroch ihr Rückgrat hinauf. Mit geschlossenen Augen lauschte sie Wylies verzweifeltem Versuch, sich zu retten und eine Spur zu hinterlassen.
Dann meldete sich eine andere Person. »Klappe.«
Eine unheimliche Stimme, die kaum das Motorengeräusch übertönte. Evan bekam Gänsehaut.
»… Strafe.«
Sie konnte nicht erkennen, ob die Stimme einem Mann oder einer Frau gehörte. Aber der stumpfe Befehlston machte ihr Angst.
Dann brach die Aufnahme ab. Benommen schlug sie die Augen auf. Jo hatte ihr eine Flaschenpost geschickt – von einem Toten. Auf der verhängnisvollen Fahrt in die Berge hatte Wylie versucht mitzuteilen, was mit ihm geschah. Er musste gefürchtet haben, dass das Ende auf ihn wartete. Trotzdem hatte er weitergeredet.
Evan schlang sich den Rucksack über die Schulter und hastete in ein Starbucks auf der anderen Seite des Civic Center Plaza. Auf einem Block notierte sie die beschädigten Daten aus der Liste von Wylies letzten Anrufen. Von den Nummern waren jeweils verschiedene Teile verloren gegangen, fast als hätte sich ein Glas Milch über das Display ergossen. Aber sie erkannte bald, dass Wylie mit diesem zweiten Handy nur wenige Leute angewählt hatte. Und die eingegangenen Anrufe stammten lediglich von einer Handvoll Nummern. In fast allen Fällen ließ sich die vollständige Nummer durch Kombination rekonstruieren.
Keine gehörte einem von Wylies Mandanten, Bekannten oder Verwandten.
Sie ging ins Netz und rief ein Telefonverzeichnis auf, um Namen zu den Nummern zu finden. Ohne Erfolg.
Zeit für ein paar Kaltanrufe.
Sie nahm ihr Telefon und wählte die erste Nummer auf der Liste. Es läutete dreimal, dann folgte nach einer Pause ein veränderter Klingelton, als wäre der Anruf weitergeleitet worden.
Eine Frau nahm ab. »Ragnarok Investments.«
Die Stimme klang schroff und scharf. Ungeduldig.
Evan zögerte. Hat Wylie das zweite Handy für Sex oder für krumme Geschäfte benutzt? »Ich rufe wegen der Spendenaktion für die Kirche Our Lady of Perpetual Sorrow an.«
Die Frau von Ragnarok legte auf.
Evan starrte das Telefon an. Das war doch wirklich interessant.
Sie wandte sich ihrem Notebook zu und tippte Ragna rok ein.
13
Das Zischen klang wie ein Geysir, heiß und feucht. Durch die weiß zerborstenen Scheiben sickerte Licht. In der Luft schwebten Staubkörnchen.
Jo hustete. Sie atmete noch.
Das Zischen ließ nicht nach. Der Kühler. Im Hintergrund war rauschendes Wasser zu hören. Sie blinzelte angestrengt. In den Fingern und Zehen kribbelte es, so wie überall auf der Haut: Signale von Adrenalinstress.
Das Dach
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