Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
basta.«
»Aber …«
»Basta.«
»Die Sache ist die …«, sagte sie, senkte ihre Stimme und beugte sich zu ihm, »… dass ich eben einen Anruf bekommen habe und glaube, dass wir dem nachgehen sollten.«
»Einen Anruf? Lass hören. Wer hat dich angerufen?«
»Das kann ich dir leider nicht sagen.«
»Warum nicht zum Teufel?«, zischte er und beherrschte sich im letzten Moment, nicht mit der Faust auf den Tisch zu schlagen.
»Es war ein Freund von mir aus Akureyri. Er kannte diesen Typen, aber ich weiß nicht, wie viel ich dir erzählen darf.«
Ívar wurde wieder laut: »Na los, nun sag schon!«
»Nur, wenn ich diese Seite des Falls untersuchen darf.«
»Na gut, verdammt nochmal! Dann mach doch, was du willst.« Er musste auf der Hut sein. Am Ende würde sie noch zu einer gefährlichen Konkurrentin für die Stelle des Nachrichtenchefs.
»Er hat mir erzählt, Elías sei da oben im Norden in Drogengeschichten verwickelt gewesen«, flüsterte Ísrún, als enthülle sie ein Staatsgeheimnis.
»Drogenschmuggel? Echt?«, fragte Ívar völlig verdutzt. »Versuch, was darüber rauszukriegen. Ich kann dir nicht versprechen, dass wir deine Benzin- und Übernachtungskosten erstatten können. Vielleicht, wenn du uns eine gute Schlagzeile lieferst.« Dann fügte er hinzu: »Und ich kann auf keinen Fall einen Kameramann entbehren. Darüber müsstest du mit unserem Korrespondenten im Norden verhandeln, aber nur, wenn du ein sensationelles Interview bekommst. Ansonsten machst du dir nur Notizen und schickst Kommi einen Text für seinen Beitrag.« Er versuchte, das vorletzte Wort besonders zu betonen. Wenn wirklich etwas dabei heraussprang, würde er die Anerkennung eher Kommi als Ísrún gönnen.
»Super.« Sie lächelte. Ívar sah sie nur selten lächeln. »Dann fahre ich heute Nachmittag los. Mach dir keine Gedanken wegen der Hotelkosten, ich kenne eine günstige Pension in Akureyri. Ich kenne mich da ganz gut aus, habe ja da im Krankenhaus gearbeitet.«
»Ach, stimmt ja …«, sagte Ívar. »Warum hast du da eigentlich aufgehört?«
Ja, warum war sie nicht einfach in Nordisland geblieben?
Dann käme sie ihm jetzt nicht in die Quere.
Ísrún scherte sich nicht darum, Ívars Frage zu beantworten. Ihre Antwort hätte ihn überrascht, und sie hätte es vielleicht geschafft, ihn ein einziges Mal sprachlos zu machen.
Sie war einfach nur froh, dass sie sich durchgesetzt hatte. Sie würde in den Norden fahren.
Möglicherweise war sie ein bisschen zu weit gegangen mit dieser Erfindung, dass Elías in Drogengeschichten verwickelt gewesen sei.
Eine Notlüge – aber irgendwas musste sie ja anführen, um an dem Fall arbeiten zu dürfen.
9 . Kapitel
Südisland,
ein Jahr vor dem Leichenfund
Meine Urlaubswoche hatte begonnen. Hoffentlich würde es mir gelingen, mich an der Südküste in aller Ruhe von der Müdigkeit und dem Stress zu erholen.
Ich wollte einen Artikel über meine Großmutter schreiben – oder suchte ich vielleicht immer noch irgendwie nach dem Tagebuch? Suchte ich danach, seit ich gesehen hatte, wie Großvater es in den Müllcontainer warf?
Vielleicht hatte Opa Lárus – der vor ein paar Jahren gestorben war – doch recht gehabt. Oma Ísbjörg hatte es für sich selbst geschrieben, nicht für andere.
Ich fuhr mit meiner alten Karre Richtung Osten und hielt mich nur an die Geschwindigkeitsbegrenzung, weil es unvermeidlich war. Nach modernen Kriterien war der Wagen nicht besonders leistungsstark. Als ich auf der kurvenreichen Schotterstraße aus einer Kurve kam, tauchte Großvaters altes Haus in Landeyjar vor mir auf. Es stand auf einer kleinen Anhöhe, in der einen Richtung mit Blick ins Landesinnere und in der anderen hinaus aufs Meer, bis zu den Westmännerinseln.
Ein grenzenloser Spielplatz für ein kleines Mädchen zu Besuch bei seinem Großvater, allerdings immer windig, sogar im Hochsommer, zumindest in der Erinnerung.
Ich bog in den Zufahrtsweg, öffnete das Tor in dem Stacheldrahtzaun und vergaß dabei fast, dass ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern das Haus nach Großvaters Tod gekauft hatte. Seitdem war ich nicht mehr dort gewesen.
Auf dem Hofplatz stand ein ziemlich neuer Kombi. Ein fröhlicher Hund begrüßte mich, als ich aus dem Wagen stieg.
Ich wusste, dass mir dieser Besuch für meinen Artikel nicht viel bringen würde, dennoch zog mich etwas zu diesem Ort.
So viele Kindheitserinnerungen – schöne Erinnerungen.
Eine junge Frau kam zur Tür.
Nachdem sie mich
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