Todesnacht: Thriller (German Edition)
wollen, dass es in irgendeiner Galerie in Portland oder Manhattan zu sehen wäre. In ihrer eigenen Wohnung vielleicht. Aber nicht auf der Madison Avenue.
» Hier ist das komplette Manuskript, alles, was ich bis jetzt habe. « Er reichte es ihr. » Ungefähr dreihundert Seiten. Du kannst es gerne ganz lesen und mir deine Meinung sagen. Aber ich habe darüber hinaus die Seiten markiert, die dich besonders interessieren dürften. «
» Kann ich es gleich hier lesen? « Sie wollte nicht länger warten.
» Ich wäre jetzt eigentlich lieber allein, wenn du nichts dagegen hast. Aber du kannst dich gerne nach oben auf die Veranda setzen. «
» Danke. « Maggie nahm den Umschlag und gab Sam einen Kuss auf die Wange. » Auf Wiedersehen, Sam. Und viel Glück mit allem. Ich kaufe mir das Buch, sobald es rauskommt. «
» Vergiss nicht, was du Emily ausrichten sollst. Die Sache mit dem Haus. «
» Versprochen. «
Maggie ging nach draußen, stieg die kleine Treppe zur Veranda hinauf und setzte sich auf einen der hölzernen Adirondack-Stühle. Ein gutes Dutzend Seiten war mit selbstklebenden Zetteln markiert. Sie schlug die erste Seite auf. Seite sechsundzwanzig. Die einleitenden Sätze des zweiten Kapitels. Conor Riordan war ein attraktiver Mann – viel attraktiver, als ein Mensch, der zu solch bösen Taten fähig war, aussehen durfte. Groß. Markantes Gesicht. Dunkles, lockiges Haar. Erschütternd klare blaue Augen. An jenem letzten warmen Tag im Oktober trafen sie zufällig aufeinander.
Maggie steckte das Manuskript in den gelben Umschlag zurück und fuhr nach Machias. Sie musste McCabe finden.
48
Auch wenn man knapp zwanzig Stundenkilometer schneller fährt als erlaubt, dauert die Fahrt von Machias nach Augusta gut zweieinhalb Stunden. Vorausgesetzt, man gerät nicht in einen Stau oder wird von Baustellen aufgehalten. Dann kann es auch drei Stunden oder noch länger dauern.
Maggie und McCabe fuhren rechtzeitig los. Sie wollten auf keinen Fall zu spät kommen. Susan Marsh würde garantiert nicht lange auf sie warten, falls sie nicht pünktlich wären.
Vor der Abfahrt hatte Maggie McCabe das Manuskript von Ein feiner Faden überreicht und ihn gebeten, sich die markierten Seiten anzusehen. Dann war sie losgefahren. Es war halb zwei gewesen, als sie auf der Route 9 den Weg nach Westen eingeschlagen hatten.
Nachdem er sich alle Stellen durchgelesen hatte, steckte er das Manuskript wieder in den Umschlag und warf ihn auf die Rückbank.
» Sieht er wirklich so gut aus? «
» Schon. «
» Dann bist du dir also sicher, dass Carroll unser Mann ist? «
» Nicht hundertprozentig, aber zunehmend. «
» Ich sehe dabei nur ein Problem. «
» Und das wäre? «
» Susan Marsh. «
In Maine werden Mordfälle grundsätzlich nicht vom Staatsanwalt des jeweiligen Bezirks, sondern von der Generalstaatsanwaltschaft verfolgt. McCabe hatte Susan Marsh zwar nur wenige Male vor Gericht erlebt, trotzdem hielt er sie für eine der härtesten, klügsten und konsequentesten Anklagevertreterinnen, mit denen er je zu tun gehabt hatte, einschließlich seines guten Freundes Burt Lund. Die Tatsache, dass Susan für Sean Carroll gebürgt hatte, obwohl sie dadurch womöglich ihre Karriere aufs Spiel gesetzt hatte, machte es ihnen nicht gerade leicht, an Carrolls Schuld zu glauben. Er hätte wirklich kein besseres Alibi benennen können. Bombensicher, wie Tracy Carlin gesagt hatte.
» Wenn wir da sind « , sagte McCabe, » dann stellst du ihr die heiklen Fragen. «
» Gerne, aber warum? Du kennst sie besser als ich. «
» Du bist eine Frau, genau wie sie. Vielleicht ist sie eher bereit, mit dir über eine Affäre zu reden als mit mir. Vielleicht verziehe ich mich sogar, während ihr darüber sprecht. «
» Kann sein, dass sie gar nicht darüber reden will, ganz egal, wer fragt. «
McCabe gestand ein, dass dies denkbar war.
Falls Susan Marsh gelogen hatte, um ihren Liebhaber zu schützen, warum, fragte Maggie sich im Stillen, sollte sie dann ausgerechnet jetzt davon abrücken? Gegenüber einer Polizistin, die sie kaum kannte? Wenn sie gelogen hatte und diese Lüge ans Licht kam, dann war dies das Ende einer vielversprechenden Karriere, die bereits durch das erste Eingeständnis eine kleine Schramme abbekommen hatte. Verdammt, wenn sie gelogen hatte, obwohl sie wusste, dass Carroll ein Mörder war, konnte das womöglich eine jahrelange Haftstrafe nach sich ziehen. Nein, Susan Marsh hätte nicht das Geringste davon, wenn sie zugäbe, dass sie
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