Todesnacht: Thriller (German Edition)
vielleicht noch am Leben. Aber macht ja nichts. Ich weiß, dass du’s versucht hast. Trotzdem … Eines würde ich gerne wissen: Was soll ich denn jetzt mit dem Päckchen machen? «
16
Samstag, 22. August 2009, 15.22 Uhr
Machias, Maine
Als Maggie in die Einfahrt bog, war die Veranda des alten Hauses in der Center Street von der Nachmittagssonne in goldenes Licht getaucht. Das Haus war weiß mit schwarzen Fensterläden, erbaut im viktorianischen Stil und in Zeiten des Wohlstands. Hier war sie auf die Welt gekommen. Schwer hing das spätsommerliche Blätterkleid an dem alten Ahornbaum in der äußersten Ecke des Vorgartens. An einem der unteren Äste hing noch immer eine Schaukel. Es war nicht mehr dieselbe, auf der Maggie und ihre Brüder jahrelang gesessen hatten, sondern eine neue mit einem Plastik- statt einem Holzsitz und mit einem gelben Nylonseil statt der alten Wäscheleine. Ihr Vater musste sie für seine Enkelinnen, Ali und Louise, aufgehängt haben. Trevors Töchter. Maggies Nichten.
Sie sah, wie John Savage seinen großen Körper langsam aus dem grünen Schilfrohr-Schaukelstuhl auf der Veranda hob – sein Raucherstuhl, wie er zu sagen pflegte –, die Treppenstufen herunter- und ihr entgegenkam.
Er legte ihr den Arm um die Hüfte und begleitete sie zurück zum Haus. » Willkommen daheim « , sagte er. » Du bist bestimmt müde. «
» Ich werd’s überleben. «
Seit Maggies letztem Besuch an Weihnachten waren acht Monate vergangen. Der Besuch davor war ein ganzes Jahr her und hatte ein Wochenende gedauert. Und davor war sie im Juni bei John und Anyas Hochzeit gewesen. Einige wenige Male dazwischen hatte sie Em besucht, meistens um zu wandern oder im wilden Wasser des Machias River Kanu zu fahren. Da hatte es jedes Mal nur für eine kurze Stippvisite gereicht.
Dass dies eigentlich zu wenig war, wusste sie selbst. Früher war sie immer gerne nach Hause gekommen, aber in letzter Zeit gab es immer einen guten Grund, der sie daran hinderte. Nicht dass Johns neue Frau ihr das Gefühl verweigerte, willkommen zu sein. Oder dass sie ein schlechter Mensch wäre. Nicht einmal dass Maggies Mutter etwas gegen eine erneute Heirat ihres Ehemannes gehabt hätte. In den letzten Stadien ihrer Krankheit, als klar war, dass sie nicht mehr gesund würde, und niemand mehr Phrasen in den Mund nahm wie » Wenn du wieder auf den Beinen bist « oder » Wenn es dir besser geht « , hatte Joanne Savage persönlich John dazu aufgefordert, wieder zu heiraten, und zwar bald. Sie hatte Maggie gebeten, ihn dabei zu unterstützen. Hatte einmal sogar geäußert, dass Anya, eine Nachbarin und Freundin, die selbst erst vor Kurzem Witwe geworden war, in ihren Augen ein hervorragender Ersatz für sie wäre.
Nein, es gab nichts, was an Anya nicht liebenswert wäre. Nur dass dieses Haus aus Maggies Sicht Joannes Haus gewesen war und für alle Zeit bleiben würde. Ihre Mutter hatte die Blumenbeete angelegt, die Tapeten ausgesucht und angeklebt und in der Küche mehr als dreißig Thanksgiving-Mahlzeiten zubereitet.
Für Maggie würde dieses Haus für immer vom Geist ihrer Mutter durchdrungen sein, und darum war es ihr irgendwie unangenehm, dass darin jetzt eine andere Frau das Regiment führte, ob dies nun fair war oder nicht. Maggie wäre es lieber gewesen, Anya und Savage hätten das Haus verkauft und sich etwas anderes gesucht. Das hatte sie ihrem Vater auch zwei Mal gesagt, aber er hatte jedes Mal abgewinkt. Hatte gesagt, dass er jetzt seit vierzig Jahren hier wohne, dass die Hypotheken abbezahlt seien und dass er nirgendwo anders leben wolle. » Und wenn es so weit ist, dann sollen sie mich hier mit den Füßen zuerst raustragen, genau wie deine Mutter « , hatte er gesagt.
Auf der Veranda angekommen, nahm John Savage seine Tochter fest in den Arm. Sie sah ihm von seinen drei Kindern am ähnlichsten, und ohne dass je darüber gesprochen worden war, wussten sie beide, dass sie sein Liebling war. Er drückte sie fest an sich, und sie erwiderte die Umarmung.
» Das letzte Mal ist viel zu lange her, Mag. Viel zu lange. So weit ist es doch gar nicht von Portland hier herauf, dass wir dich nicht häufiger zu Gesicht bekommen könnten! Oder nur dann, wenn’s irgendwo brennt. «
» Ich weiß, Pop. Es tut mir leid! Aber ich hatte ziemlich viel um die Ohren. «
» Du bist Polizistin. Da hat man immer was zu tun. Du musst dir die Zeit eben nehmen. «
» Ich weiß. Wie gesagt, es tut mir leid. « Hoffentlich walzte er das Thema nicht
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