Todesopfer
Milchgänge waren erweitert, die Brustwarzen vergröÃert und hier und dort aufgesprungen.
Ich nickte.
»Sie hat gestillt«, verkündete ich. Ich hörte meine Stimme zittern, aber es war mir gleichgültig. Ich konnte keinen von den anderen ansehen. »Sind wir fertig?«, wollte ich wissen.
Renney zögerte. »Nun ja, ich hatte überlegt â¦Â« Er blickte auf den Leichnam hinunter. O nein, ich würde diese Frau nicht vaginal untersuchen. Mir war klar, was ich finden würde.
»Vielleicht sollten wir es jetzt den anderen überlassen«, meinte ich.
Er zögerte einen Moment. »Da gibt es noch etwas, was die Officers sehen sollten. Würden Sie mir helfen, sie umzudrehen?«
Gifford fing meinen Blick auf. »Ich mach das schon«, erbot er sich und trat vor. Er ging zum Kopfende des Rollwagens und schob die behandschuhten Hände unter die Schultern der Leiche. Stephen Renney fasste sie um die Hüfte, zählte »drei, zwei, eins, drehen«, und die Leiche wurde hochgehoben und gedreht. Wir sahen ihren schmalen Rücken, die sommersprossigen Schultern, lange, schlanke Beine und die runden GesäÃhälften. Niemand sagte etwas. Die beiden Polizisten traten vor, und ich â ich konnte nicht anders â folgte ebenfalls ihrem Beispiel.
»Was zum Teufel ist das?«, fragte Gifford endlich.
Drei Symbole waren in den Rücken des Opfers geschnitten worden: das erste zwischen den Schulterblättern, das zweite auf Taillenhöhe und das dritte über dem Kreuzbein. Alle drei waren eckig und bestanden nur aus geraden Linien; zwei waren vertikal angelegt, das dritte nicht. Das erste, das zwischen den Schulterblättern, erinnerte mich ein bisschen an das christliche Fischzeichen:
Das zweite, in Höhe der Taille, bestand aus zwei auf der Seite liegenden Dreiecken, deren Spitzen sich berührten; so wie ein Kind eine Schleife am Schwanz eines Papierdrachens zeichnen würde:
Das dritte bestand lediglich aus zwei Strichen; der längere verlief diagonal von dicht oberhalb des rechten Hüftknochens bis zu der Kerbe zwischen den GesäÃhälften, der kürzere kreuzte ihn schräg:
Jedes Symbol maà an seiner längsten Stelle etwa fünfzehn Zentimeter.
»Sehr oberflächliche Wunden«, bemerkte Renney, der Einzige von uns, der von dem, was er da vor sich sah, nicht völlig gebannt war. »Schmerzhaft, aber an und für sich nicht lebensbedrohlich. Mit einem extrem scharfen Messer durchgeführt. Man denkt unwillkürlich wieder an ein Skalpell.« Er warf Gifford einen Blick zu. Ich auch. Gifford starrte noch immer den Rücken der Toten an.
»Während sie noch am Leben war?«, fragte Tulloch.
Renney nickte. »O ja. Die Schnitte haben ein bisschen geblutet
und hatten dann Zeit, teilweise zu heilen. Ich würde sagen, ein bis zwei Tage vor ihrem Tod.«
»Was die Notwendigkeit erklären würde, sie zu fesseln«, meinte Dunn.
Tulloch schaute zu Boden und hob dann den Blick zur Decke, die Hände zu Fäusten geballt.
»Aber was ist das?«, fragte Gifford noch einmal.
»Das sind Runen«, antwortete ich. Alle wandten sich zu mir um. Gifford kniff seine ohnehin schon tief liegenden Augen zusammen und drehte den Kopf, wie um zu sagen: Wie belieben?
»Wikinger-Runen«, erläuterte ich. »Zu Hause habe ich welche in meinem Keller. In irgendeinen Stein gehauen. Mein Schwiegervater hat sie identifiziert. Er weià eine Menge über die Geschichte dieser Gegend.«
»Wissen Sie, was sie bedeuten?«, wollte Tulloch wissen.
»Ich habe keinen Schimmer«, gestand ich. »Nur dass sie eine uralte Schriftform sind, die die Norweger damals mitgebracht haben. Hier auf den Inseln sieht man sie ziemlich oft. Wenn man erst mal weiÃ, wonach man Ausschau halten soll.«
»Wüsste Ihr Schwiegervater vielleicht, was die hier bedeuten?«, fragte Tulloch.
Ich nickte. »Wahrscheinlich. Ich gebe Ihnen seine Nummer.«
»Faszinierend.« Gifford war anscheinend unfähig, den Blick von der Frau abzuwenden.
Ich schälte mir die Handschuhe herunter und verlieà den Raum als Erste. Tulloch folgte mir dicht auf den Fersen.
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»Also, wie gehtâs jetzt weiter?«, wollte Kenn Gifford wissen, als wir zu viert den Gang entlang zum Eingang des Krankenhauses gingen.
»Wir fangen an, die Vermisstenlisten durchzugehen«, antwortete Dunn. »Wir lassen den
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