Todesopfer
Nagellack analysieren, finden heraus, was für eine Marke es ist, vielleicht sogar welche Lieferung, wo er verkauft wurde. Das Gleiche machen wir mit dem Leinen, in das sie eingewickelt war.«
»Mit der DNA und den Zahnfüllungen und dem, was wir über ihre Schwangerschaft wissen, sollte es nicht allzu lange dauern herauszufinden, wer sie ist«, bemerkte Tulloch. »Zum Glück haben wir es hier oben ja mit einer ziemlich kleinen Einwohnerzahl zu tun.«
»Vielleicht ist sie auch gar nicht von hier«, gab Inspector Dunn zu bedenken. »Vielleicht sind wir ja nur ein geeigneter Abladeplatz für eine Leiche. Möglicherweise erfahren wir nie, wer sie war.«
Mir drehte sich der Magen um, und mir wurde klar, wie absolut inakzeptabel diese Möglichkeit war. Für mich würde es keinen Schlusspunkt geben, bis ich wusste, wer sie war und wie sie in meine Wiese kam.
»Bei allem Respekt, Sir, ich bin mir sicher, dass sie von hier stammte«, entgegnete Tulloch, auf deren Gesicht die Verblüffung deutlich zu lesen war. »Warum sollte jemand hier rauffahren, um eine Leiche zu begraben, wenn zwischen uns und der nächsten Festlandküste jede Menge Seemeilen liegen? Wieso sie nicht einfach ins Meer schmeiÃen?«
Mir kam der Gedanke, dass ich, hätte ich jemanden ermordet, genau das getan hätte. Die Länge der Küste von Shetland wird auf 1450 Kilometer geschätzt, während die Landmasse der Inseln lediglich 1468 Quadratkilometer beträgt; ein sehr ungewöhnliches GröÃenverhältnis. Nirgendwo auf den Shetlandinseln ist man weiter als acht Kilometer vom Meer entfernt. Eine mit Ballast beschwerte Leiche, die man zwei oder drei Kilometer von der Küste entfernt über Bord warf, hätte eine sehr viel geringere Chance, entdeckt zu werden, als eine, die in einer Wiese vergraben war.
In diesem Augenblick gingen sowohl mein als auch Giffords Piepser gleichzeitig los. Janet Kennedys Blut war eingetroffen.
Die beiden Polizeibeamten bedankten sich bei uns und machten sich auf den Weg zum Flughafen, um das Team vom Festland in Empfang zu nehmen.
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Eine Stunde später war alles glattgegangen, und ich befand mich wieder in meinem Büro und versuchte, genug Energie aufzubringen,
um nach Hause zu fahren. Ich stand am Fenster und beobachtete, wie der Abend düsterer wurde, während Wolkenbänke sich vom Meer her heranschoben. Ganz schwach konnte ich mein Spiegelbild in der Fensterscheibe erkennen. Normalerweise ziehe ich mich um, ehe ich mich auf den Heimweg mache, doch ich hatte noch immer meine OP-Hose an und eines der engen Hemden, die ich im OP immer unter meinem Kittel trage. Zwischen den Schulterblättern spürte ich einen scharfen, beinahe stechenden Muskelschmerz, und ich streckte beide Hände nach hinten, um die Stelle zu massieren.
Zwei Hände, groà und warm, fielen schwer auf meine Schultern. Anstatt vor Schreck umzukippen, entspannte ich mich und lieà meine Finger unter ihnen herausrutschen.
»Strecken Sie die Arme nach oben, so hoch es geht«, befahl eine vertraute Stimme. Ich tat wie mir geheiÃen. Gifford drückte meine Schultern herunter, drehte sie nach hinten-unten. Es tat fast weh. Eigentlich tat es sehr weh. Ich verspürte den Drang aufzubegehren, sowohl gegen diese Ungehörigkeit als auch gegen das körperliche Unbehagen. Ich schwieg.
»Und jetzt zur Seite«, wies er mich an. Ich breitete die Arme aus. Gifford legte die Hände um meinen Nacken und zog nach oben. Ich wollte Einspruch erheben, stellte jedoch fest, dass ich nicht sprechen konnte. Dann drehte er ihn nach rechts, nur ein einziges Mal, und lieà mich los.
Ich fuhr herum. Der Schmerz war verschwunden, meine Schultern kribbelten, und ich fühlte mich phantastisch; als hätte ich zwölf Stunden durchgeschlafen.
»Wie haben Sie das gemacht?« Ich war barfuÃ, und er überragte mich um einiges. Hastig trat ich einen Schritt zurück und stieà hart gegen das Fensterbrett.
Er grinste. »Ich bin Arzt. Gehen wir was trinken?«
Ich spürte, wie ich rot wurde. Plötzlich verunsichert, schaute ich auf meine Uhr: Viertel vor sieben.
»Es gibt da ein paar Sachen, über die ich mit Ihnen reden muss«, erklärte Gifford, »und die nächsten paar Tage werde ich nicht wissen,
wo mir der Kopf steht. AuÃerdem sehen Sie aus, als ob Sie einen Drink brauchen könnten.«
»Da haben Sie recht.« Ich
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