Todespakt
direkt hinter dem Beifahrerfenster. Aber wie war das möglich? Wie konnte sie überhaupt so schnell hier sein?
Mit Entsetzen registrierte er, wie die Gestalt mit dem Stab gegen das Glas des Fensters klopfte. Kleine Blitze zuckten aus der Spitze hervor und schlängelten sich an der Scheibe entlang.
»Worauf wartest du noch«, schrie Saskia wie von Sinnen. »Fahr endlich los!«
Ihre Stimme riss Ingo aus seiner Lähmung. Mit einem krachenden Geräusch legte er den Rückwärtsgang ein und trat mit zitterndem Fuß das Gaspedal durch. Die Kupplung griff auf der Stelle und ließ die Vorderräder kreischend durchdrehen. Als sie endlich Halt fanden, beschleunigte der Wagen ruckartig nach hinten. Scheppernd krachte das Heck nach einigen Metern gegen einen Mülleimer und knickte die Verankerung weg. Ingo rührte in der Schaltung, bis die Zahnräder des Getriebes ineinandergriffen und er den Gang gefunden hatte. Erneut kreischten die Reifen auf, und sie rasten von dem Parkplatz die serpentinenartige Strecke ins Tal hinab, bis sie die Lichter der Bundesstraße erreichten, die in die Stadt zurückführte.
11
Chris' Augen hatten Mühe, sich im düsteren Licht des Morgengrauens auf dem schmalen Waldweg zu orientieren. Seine Müdigkeit war dabei wenig hilfreich. Der Anruf hatte ihn vor einer knappen halben Stunde aus dem Schlaf gerissen. Er hatte Rebecca beteuert, sie könne liegenbleiben und sich sofort auf den Weg hierhergemacht. Die Sonne stand noch tief am Himmel und tauchte die Lichtung in gelbliches Licht.
Meißners Leute waren bereits vor Ort. Scheinwerfer vertrieben die Reste der Dunkelheit und gaben den Blick auf das frei, was das Feuer von der Leiche übriggelassen hatte. Dieser Anblick genügte, um Chris' aufkeimendes Hungergefühl zu verscheuchen.
»Morgen«, brummte Rokko, in dessen Augen die Röte zu erkennen war. Er streckte Chris einen Plastikbecher entgegen, aus dem heraus es verführerisch nach Kaffee duftete.
»Morgen«, erwiderte Chris mit belegter Stimme und betrachtete verstört den Kaugummi, der am Rand des Bechers klebte.
»Entschuldige«, meinte Rokko und entfernte die klebrige Masse, bevor er Chris den Becher reichte.
»Wo hast du den her?«
»Ist von den Kollegen der Streife«, sagte Rokko und deutete auf die gegenüberliegende Seite, wo ein weiterer Weg in der Lichtung endete. Mehrere Uniformierte waren dort zu erkennen, die neben einem Löschzug der Feuerwehr aus ihren Einsatzfahrzeugen Thermoskannen reichten. »Die sind solche Arbeitszeiten eher gewöhnt.«
Chris musste an Rebecca denken. Zum Glück hatte sie an diesem Tag keinen Nachtdienst, was ihr den Anblick der verkohlten Leiche ersparte. Lediglich ein paar Bereiche um Augen und Stirn herum hatten die Flammen nahezu ausgelassen, was den Körper wie ein groteskes, unvollendetes Kunstwerk erscheinen ließ.
»Hallo Jo«, begrüßte Chris den Arzt, der neben dem Leichnam kniete. »Ist der Tatort gesichert?«
Doktor Johann Thielmann sah zu ihm auf. »Ja, kommt nur her. Die Spurensicherung ist hier so weit fertig.«
»Was kannst du uns bis jetzt sagen?«
»Nicht viel. Ich bin auch gerade erst eingetroffen.« Der Arzt nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen.
Chris reichte ihm den Kaffee. »Hier«, meinte er, »wird dir guttun.«
Thielmann trank einen Schluck und nickte ihm dankend zu. »Hinsichtlich dem Teil des Körpers, den man noch als relativ unversehrt einstufen kann, würde ich sagen, wir haben hier ein männliches Opfer im Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren, dem Aussehen nach vermutlich Ausländer. Ich würde auf Osteuropa tippen. Aufgrund der Temperatur der Überreste schätze ich, dass der Tod vor etwa zwei bis drei Stunden eingetreten ist. Bis zur Mitte des Rumpfes hinauf hat der Körper massive Verbrennungen vierten Grades, was einem Anteil von über vierzig Prozent entspricht und somit die Todesursache sein dürfte.«
»Demnach war das Opfer noch am Leben, als es verbrannt wurde?«
»Davon könnt ihr ausgehen«, sagte Thielmann und deutete auf die Beine der Leiche, von denen größtenteils nur noch verrußte Knochen übrig waren. »Hier im unteren Bereich sind die Verbrennungen deutlich fortgeschrittener. Das Feuer wäre aber durchaus groß genug gewesen, um den gesamten Körper gleichmäßig zu verbrennen. Das lässt darauf schließen, dass das Opfer nur einem Teil der Flammen ausgesetzt wurde. Vermutlich, um es zu foltern.«
»Das deckt sich mit der Aussage des Zeugen.«
Chris warf Rokko einen
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