Todesqual
auseinander. Lena stieg aus und hastete um die Ecke ins Großraumbüro. Beim
Eintreten fand sie Novak und Barrera am Schreibtisch des Lieutenants vor. Vor ihnen lag aufgeschlagen der Unterhaltungsteil der Times . Barrera trug Golfschuhe. Sein Gesicht war sonnengebräunt und verschwitzt.
»Es ist das gleiche Kreuzworträtsel«, verkündete Lena.
Novak hatte bereits Handschuhe an und griff nach der Zeitung. Lena folgte seinem Beispiel. Dann öffnete sie den Asservatenbeutel und breitete die Freitagszeitung neben der aus, die in Teresa López’ Schlafzimmer sichergestellt worden war. Alle studierten die Handschrift. Obwohl sie keine Experten waren, stand für sie eindeutig fest, dass die wie getippt wirkende Handschrift von ein und derselben Person stammte.
Lena holte einen weiteren Asservatenbeutel aus dem Aktenkoffer - Beethovens Siebte Symphonie - und legte ihn auf den Tisch.
»Das habe ich im CD-Spieler gefunden«, sagte sie.
Novaks Blick wanderte von der Zeitung zur CD und dann wieder zurück zu den Schriftproben.
»Die Siebte«, flüsterte er.
Erstaunen malte sich auf seinem Gesicht. Doch es war mehr als das. Offenbar hatte sein Verstand den sicheren Hafen verlassen und Segel gesetzt. Die neuen Erkenntnisse schienen ihn in einen Zustand fiebriger Erregung versetzt zu haben. Noch vor einer Stunde hatten sie Brant und López für die Mörder ihrer Frauen gehalten. Nun standen ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse auf tönernen Füßen. Die Alternative war zwar noch grausiger und riskanter, aber dennoch eine überraschende Wendung.
»Die Siebte«, wiederholte Novak.
»Auch wenn Sie diese Frage vielleicht für dumm halten«, meinte Barrera. »Aber wie hoch stehen die Chancen, dass Brant auch Teresa López auf dem Gewissen hat?«
»Bei absolut null«, erwiderte Novak.
»Warum?«
»Buddy Paladino. Kein Anwalt hätte einem LügendetektorTest zugestimmt, wenn er nicht mehr wüsste als wir. Sicher hat er es nicht unter der Prämisse getan, dass Brant es schafft, das Gerät auszutricksen. Ihm war von Anfang an klar, dass wir auf dem falschen Dampfer sind. Und das hat er weidlich ausgenutzt. Er war überzeugt, dass Brant nicht der Täter ist.«
»Warum ist Brant dann durch den Test gefallen?«
»Keine Ahnung«, antwortete Novak. »Paladino hat zu hoch gepokert und eins auf die Finger gekriegt.«
»Die Morde geschahen in einem räumlichen Abstand von fünfzig Kilometern«, meinte Lena, »weshalb auf den ersten Blick kein Zusammenhang zu bestehen scheint. Außerdem wirkt Brant auf mich nicht wie ein Serienmörder. Falls er wirklich ein Doppelleben führt, tobt er sich bestimmt nicht zu Hause aus und bringt die eigene Frau um.«
»Aber was ist mit dem Fehlen von Vergewaltigungsspuren?«, wandte Barrera ein. »Keine vaginalen Verletzungen, keine Risswunden, keine Blutungen. Sie wusste, mit wem sie Sex hatte.«
»Ich glaube, dafür gibt es eine andere Erklärung«, sagte Lena.
Seitdem sie das Mordhaus verlassen hatte, grübelte sie über diese Frage nach und hatte sich unterwegs eine neue Theorie zu diesem Fall überlegt. Nun förderte sie einen dritten Asservatenbeutel zutage und legte ihn auf den Tisch: die Tabletten.
»Die habe ich versteckt im Schlafzimmerschrank gefunden«, verkündete sie. »Am Freitag hat Nikki Brants Ärztin uns erklärt, sie habe ihr das Medikament gegen Übelkeit und Erbrechen verordnet. Allerdings hat es auch eine Nebenwirkung. Die Tabletten können schläfrig machen. Vermutlich war sie nicht ganz bei sich, als der Täter erschien. Sie könnte anfangs sogar gedacht haben, es wäre ihr Mann.«
Lena gab sich Mühe, sich den Moment, als Nikki Brant
schließlich klargeworden war, dass es sich bei dem Mann, der da auf ihr lag, nicht um James handelte, nicht zu deutlich auszumalen. Offenbar machte die schreckliche Vorstellung Novak und Barrea ebenso zu schaffen, denn das Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Barrera rieb sich die Augen und wirkte auf einmal sehr müde. »Was ist mit López? Uns liegt ein Geständnis vor. Der Mann sitzt im Gefängnis, verdammt.«
»Darauf gibt es nur die Antwort, dass er sich offenbar unter Druck gesetzt gefühlt hat«, erwiderte Novak. »Er war erschüttert und hatte gerade erfahren, dass seine Frau untreu gewesen war. Vermutlich ist ihm da eine Sicherung durchgebrannt.«
Nachdenklich lehnte Barrera sich zurück. »Gut«, sagte er. »Nehmen wir einmal an, dass die Opfer zwar zufällig ausgewählt wurden, aber zwischen den Verbrechen ein
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