Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
auf dieser neuen Erde konnte Sicherheit oder Frieden bieten, ja nicht einmal die Garantie, dass man nicht beobachtet wurde.
    Die Wirklichkeit ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.

    Das war ein Lieblingsspruch der Kiffer gewesen, die in Mollys Studienzeit in Berkeley die geisteswissenschaftlichen Fakultäten bevölkert hatten. In den Seminaren für kreatives Schreiben hatten sie die herkömmlichen Werte der Literatur zurückgewiesen und stattdessen eine »intellektuelle Freiheit durch emotionale und linguistische Anarchie« propagiert, was immer das heißen sollte.
    Nun war die Wirklichkeit tatsächlich nicht mehr das, was sie einmal gewesen war. Schon am Nachmittag würde sie vielleicht wieder anders sein als jetzt am Morgen.
    Lewis Carroll traf auf H.P. Lovecraft.
    Die Insassen der Irrenhäuser, unverstanden und unfähig, mit ihrer Umwelt zurechtzukommen, hätten womöglich festgestellt, dass diese neuen Umstände eher im Einklang mit ihrer Wahrnehmung und ihrer Weltsicht waren.
    Molly hingegen fühlte sich, als wäre ihre geistige Gesundheit in der prekären Situation eines führerlosen Zugs, der auf losen Schienen einen Abhang hinunterrumpelt.
    Wenn der Außerirdische mit den Gesichtern in den Händen eine Technologie beherrschte, mit der er so leicht durch den Boden nach oben schweben konnte wie Angie nach unten, wenn es für ihn also keinerlei Barrieren gab, dann war es nicht gefährlicher, in den Keller hinabzusteigen und nach Cassie zu suchen, als an Ort und Stelle stehen zu bleiben oder nach draußen zu Neil zu laufen. Vorsicht war sinnlos, Besonnenheit brachte überhaupt nichts mehr. In dieser Lage begünstigte das Glück diejenigen, die tapfer, ja tollkühn waren.
    Im Kerzenschein folgte Molly der Blutspur erneut zur Kellertür. Sie hatte die Schwelle schon fast erreicht, als eine Bewegung in ihrem Rücken sie herumfahren ließ.
    Ein Hund. Der Golden Retriever, einer der drei Hunde, die bei Cassie geblieben waren, stand in der Tür zur Gaststube. Seine Haltung war angespannt, sein Blick ernst. Dann wedelte er mit dem Schwanz.

50
    Das Schwanzwedeln brachte Molly dazu, im Schein der Taschenlampe dem Hund in die Gaststube und von dort zur Damentoilette zu folgen. Kein Hund hätte sich so verhalten, wenn er ein ihm anvertrautes Kind verloren hätte, vor allem nicht, wenn er zu dieser Rasse gehörte, die über eine ungewöhnliche Intelligenz verfügt und noch loyaler ist als die Mehrzahl ihrer Artgenossen.
    Tatsächlich kauerte in einer Ecke des Waschraums Cassie, bewacht von den beiden Promenadenmischungen. Diese bleckten kurz die Zähne, aber wohl nicht, weil sie Molly für eine Bedrohung hielten, sondern weil sie ihr demonstrieren wollten, wie wachsam sie waren.
    Jemand hatte das Fenster geschlossen, durch das Render entkommen war. Auf dem Boden davor stand eine Wasserlache, in der jedoch nichts wuchs.
    Außer sich vor Angst, stürzte sich Cassie Molly in die Arme und vergrub ihr Gesicht an Mollys Schulter. Sie zitterte wie Espenlaub.
    Molly tröstete sie, strich ihr übers Haar und kam dabei zu dem Schluss, dass sie noch keinen Schaden genommen hatte.
    Nach der Logik der alten Realität wäre es nun angesagt gewesen, das Gebäude sofort zu verlassen. Zuerst fliehen, dann das Kind befragen.
    In der neuen Realität hingegen war die Welt draußen genauso gefährlich wie ein beliebiger Raum in der Kneipe, einschließlich des Kellers.

    Im Freien war es sogar gefährlicher, trotz des Gewächses in der Besenkammer und der Sporen, die auf den selbst zugefügten Wunden der Versammlung im Keller wucherten, denn die Zahl der ebenso grotesken wie feindseligen Lebewesen von einem anderen Planeten, die draußen umherstreiften, nahm offenbar ständig zu.
    Die Herren einer magisch anmutenden fremden Technologie waren in der Lage, ihre Opfer aus jedem Versteck zu holen, durch Wände, Böden oder Decken hindurch. Sie selbst besaßen eindeutig ebenfalls die Fähigkeit, durch feste Materie zu gleiten. Die weniger hoch entwickelten Lebewesen ihres Planeten aber, die den irdischen Säugetieren, Reptilien und Insekten entsprachen, hatten diese Fähigkeit offenbar nicht, sodass sie von Mauern und Wänden aufgehalten wurden.
    Zum Beispiel hatte der hektisch flatternde Schwarm im Haus von Johnny und Abby vergeblich versucht, einen Weg aus seinem Nest hinter Tapete und Putz zu finden. Auch das riesige Insekt im Kirchenkeller wäre sicher nicht gewaltsam durch die Bodendielen gebrochen, wenn es in der Lage gewesen wäre,

Weitere Kostenlose Bücher