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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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einem Becher servieren. Oolong mit seinem charakteristischen Duft, angebaut in den fernen Wu-I-Bergen Chinas.
    Den Tee würde sie im gemütlichen Wohnzimmer trinken und dazu Butterkekse essen, gewärmt von einer Kaschmirdecke. Bei der Lektüre einer Liebesgeschichte voll ewiger Leidenschaft und zeitlosem Leiden.
    Wenn sie die letzte, von Tränen benetzte Seite umblätterte, wäre der Regen vorüber. Der Morgen wäre angebrochen. Die Zukunft wäre nicht mehr trostlos und unergründlich, sondern von einem unsichtbaren Licht beschienen, das zu hell für sterbliche Augen wäre.
    Dennoch öffnete sie die Wagentür nicht, um dieser Fantasie von Tee, Keksen und garantiertem Happy End nachzustreben. Sie wagte es nicht.
    Neil löste die Handbremse, legte den Rückwärtsgang ein und ließ den Wagen aus der Garage in das windlose Unwetter rollen. Der Regen fiel senkrecht mit so elementarer Wucht, dass der Wagen davon in jedem Gelenk zu zittern und an jeder Schweißnaht zu ächzen schien.
    Weniger aus Sorge um ihr Eigentum als aus Rücksicht auf die verängstigten Mäuse hob Molly die Fernbedienung, um das Garagentor zu schließen.
    Im Scheinwerferlicht wurde das schwache Fluoreszieren des Regens immer stärker und brodelte von flimmernden Reflexen.

    Die Zedernverschalung des Hauses, die mit der Zeit malerisch silbern geworden war, glänzte durch die leuchtende Nässe deutlich heller. Von der Dachkante und aus den überfließenden Regenrinnen fielen schimmernde Schleier, die ganze Teile des Baus verhüllten.
    Neil wendete und fuhr hangaufwärts auf die zweispurige Landstraße zu. Die Zufahrt war zu einem seichten Bach geworden, in dem sich große Schwärme falscher Schlangen, sich windender Lichterscheinungen, tummelten.
    Als der Wagen das Ende der Zufahrt erreicht hatte, schaute Molly zurück durch den strömenden Regen und die unerschütterlichen Bäume. Ihr Haus, in dem alle Lichter brannten, sah einladend aus – und für immer unerreichbar.
     
    Der kürzeste Weg in den Ort führte auf der Landstraße nach Süden.
    Das zweispurige Asphaltband war befahrbar geblieben, weil es dem Hügelkamm rund um den See folgte, sodass der Regen nach beiden Seiten ablaufen konnte. Stellenweise war das Pflaster mit einem dicken, schlüpfrigen Brei aus Kiefernnadeln bedeckt, die von den Bäumen gespült worden waren, doch der Geländewagen hatte genügend Kraft, um ungehindert hindurchzukommen.
    Obwohl die Scheibenwischer mit Höchstgeschwindigkeit arbeiteten, wurden sie mit dem Regenguss nicht fertig. Kaskaden verschleierten die Sicht. Neil fuhr langsam und vorsichtig.
    Im Osten ging der Wald, der vor einem Jahr teilweise abgebrannt war, allmählich in baumlose, grasige Hügel über. Es folgten ein tiefer gelegener, ziemlich trockener Landstrich und schließlich die Mojave-Wüste. In dieser Gegend gab es nur wenige Häuser.

    Am Westhang des Höhenrückens hingegen standen zahlreiche, wenn auch ziemlich weit voneinander entfernte Wohnhäuser. Die nächsten Nachbarn im Süden waren José und Serena Sanchez, die zwei Kinder hatten, Danny und Joey, und einen Hund namens Semper Fidelis.
    An ihrem Briefkasten bog Neil nach rechts ein, blieb jedoch oben auf der Einfahrt stehen. Die Scheinwerfer waren auf das Haus gerichtet.
    »Sollen wir sie wirklich aufwecken? «, überlegte er.
    Irgendeine undefinierbare Eigenschaft des Hauses beunruhigte Molly. Es war etwas anderes als die Tatsache, dass dort kein Licht brannte.
    Wären die Sanchez’ zu Hause gewesen, dann hätte die ungewohnte Wucht des Regens sie doch sicher aufgeweckt. Neugierig geworden, wären sie aufgestanden, hätten den Fernseher eingeschaltet und dadurch das Schicksal der Welt erfahren.
    Molly hatte das monotone Dröhnen des Regens als Stimme des Todes erkannt, und die schien nun nicht mehr nur vom Himmel herab zu ihr zu sprechen, sondern auch von dem Haus am Fuß der Einfahrt aus.
    »Sie sind fort«, sagte sie.
    » Wohin? «
    »Oder tot. «
    »Das kann nicht sein«, sagte Neil. »Nicht José, Serena … nicht die beiden Jungen!«
    Mit dem Übersinnlichen verbunden war Molly nur als Schriftstellerin, nicht in der Art, dass sie Visionen oder Vorahnungen gehabt hätte. Dennoch sagte sie mit intuitiver Gewissheit: »Tot. Alle tot.«
    Das Haus verschwamm, wurde klarer, verschwamm, wurde klarer. Vielleicht sah sie Bewegungen hinter den lichtlosen Fenstern, vielleicht auch nicht.
    Sie stellte sich vor, dass eine geschmeidige, geflügelte Gestalt, die dem mysteriösen Ding im Spiegel

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