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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Wars.«
    »Nein, so alt nicht.«
    Einen Moment lang starrte Molly auf Finger mit vier Knöcheln und schwarzen Klauen, spitz wie Rosendornen. Dann ließ die scharlachrote Hand den Ast los und verschwand wieder im Blattwerk. Behände huschte das Wesen weiter.
    »Ich weiß nicht, wie sie es von uns weggescheucht hat«, sagte Elric. Mit »es« war offenbar das formlose Ding gemeint.
    »Sie hat es weggezaubert«, meinte Bethany.
    Molly wunderte sich, wie ein Wesen von ihrer Größe sich so flink von Baum zu Baum bewegen konnte, fast ohne ein Geräusch zu machen oder die Blätter und Moosbärte in Bewegung zu versetzen. Wie viele davon wohl durch die Äste unter- und oberhalb der Nebelgrenze huschten?
    »Sie hat es doch nicht weggezaubert«, sagte Eric ärgerlich.

    »Doch, mit einem Zauberspruch«, erklärte Bethany. »Möge die Macht mit dir sein!«
    Molly schärfte sich ein, immer in Bewegung zu bleiben. Ihre Intuition sagte ihr, dass jedes Zögern als Schwäche gedeutet werden würde und dass jedes Zeichen von Schwäche einen Angriff herausforderte.
    »So ein Quatsch!«, sagte Eric. »Sie hat doch nicht so was wie ›Möge die Macht mit dir sein‹ gesagt.«
    »Na gut, was hat sie dann gesagt?«
    Sie waren nur noch etwa fünfzehn Meter von der nächsten Kreuzung entfernt. Vor ihnen lag die Hauptstraße mit drei breiten Fahrspuren statt zwei engen; dort reichten die Äste nicht über die ganze Breite wie hier.
    »Das weiß ich nicht mehr«, gab Eric zu.
    »Ich auch nicht«, sagte sein Bruder.
    »Aber gesagt hat sie was!«, erklärte Bethany nachdrücklich.
    Ganze drei Schritt vor ihnen tauchte auf einem kahlen Aststück wieder eine scharlachrote Hand auf.
    Molly überlegte, ob sie einen Schuss abgeben sollte, aber selbst wenn sie das Ding da oben traf und tötete, war das womöglich gefährlich. Ihr Instinkt, auf den sie sich – neben ihrer Intuition – verlassen musste, sagte ihr, dass ein Schuss vielleicht den sofortigen Angriff der anderen Kreaturen auf den Bäumen provozieren würde.
    Gleichzeitig mit der Hand glitt noch etwas anderes aus dem Blattwerk. Es war eine Art Schwanz, über einen Meter lang, rot mit grünen Flecken, oben dicker als ein Daumen, dann jedoch dünner werdend und mit einer stachligen Quaste endend. Leicht gebogen hing er einen Moment herunter, dann zuckte er plötzlich wieder nach oben, riss etwas Moos mit und war verschwunden.
    Bethany und ihre Brüder hatten das Schauspiel ebenfalls gesehen. Offenbar hatten sie es sogar sehen sollen. Der Anblick sollte sie durcheinanderbringen und in Panik versetzen.
    Die Kinder blieben stehen und klammerten sich ängstlich aneinander.
    »Geht weiter«, flüsterte Molly, »aber nicht rennen! Geht genau so wie bisher.«
    Die Angst machte die Kinder vorsichtig, aber ein langsames Tempo war besser als zu rennen, denn das hätte die Verfolger womöglich gereizt, und einen Wettlauf hätten die sicher gewonnen.
    Sie waren nur noch zehn Meter vom Ende des Blätterdachs entfernt.
    Wieder hörte man irgendwo im düsteren Morgen eine Frauenstimme weinen, der aus der Ferne das genauso klägliche Weinen eines Mannes antwortete. Es kam Molly fast so vor, als wären diese ganzen Schrecken eine Komposition mit einem bestimmten Rhythmus und einer ausgefeilten Partitur. Dazu passte, dass am rechten Straßenrand ein Gullydeckel klapperte. Irgendein unruhiges Wesen rüttelte von unten daran, vielleicht der kopflose Körper von Ken Halleck.

44
    Menschliches Weinen unmenschlichen Ursprungs, in den Bäumen rote Reptilien, so groß wie Pumas, ein kopfloser Toter oder etwas noch Schlimmeres, das an einen Gullydeckel klopfte, um aus der Kanalisation befreit zu werden – blanke Anarchie war auf die Welt losgelassen worden, eine blutig trübe Flut, die drohte, den Verstand zu unterspülen, seine Wurzeln zu verwirren, ihn wie Unkraut auszureißen und mit sich fortzuschwemmen.
    Molly ging weiter, obwohl sie daran zweifelte, dem Tunnel aus Bäumen zu entkommen. Zu ihrer Überraschung erreichten sie unversehrt die Kreuzung mit der Hauptstraße, über die lediglich das sich unablässig wandelnde, violett getönte Gewölbe des Nebels gespannt war.
    Bevor sie sich auch nur einer schüchternen Hoffnung hingeben konnte, tauchte am trüben Himmel wieder eines der lautlosen, leuchtenden Fahrzeuge auf. Es raste von Westen auf die Gruppe zu, im einen Moment nur schwach sichtbar, sechs schnelle Herzschläge später schon direkt über den Köpfen. Ein formloser Umriss; Licht, das seine Quelle

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