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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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kann er die Nadel bekommen.«
    »Wollen Sie die Antwort hören?«, fragte eine Männerstimme von der Eingangstür her.
    »Natürlich.« Tribow drehte sich mit seinem Sessel herum und forderte Richard Moyer, einen der älteren Detectives im Distrikt, mit einem Kopfnicken zum Eintreten auf. »Natürlich. Bloß: Wie lautet die Frage?«
    Moyer winkte Viamonte und Wu zur Begrüßung zu und ließ sich mit einem exzessiven Gähnen auf einem Stuhl nieder.
    »Na, Dick, schon von uns gelangweilt?«, fragte Wu ironisch.
    »Müde. Zu viele schlimme Typen da draußen. Egal, ich hab gehört, worüber ihr gesprochen habt –über Hartman. Ich weiß, warum er sich nicht auf den Handel einlässt.«
    »Und warum?«
    »Er kann es sich nicht leisten, nach Stafford zu gehen.« Das größte Staatsgefängnis, durch das schon eine ganze Reihe Absolventen der Daniel-Tribow-Schule für Strafverfolgung gegangen waren.
    »Wer will es sich schon leisten, ins Gefängnis zu gehen?«, fragte Viamonte.
    »Nein, nein, ich meine, er
kann
nicht. Dort wetzen sie schon Löffelstiele und zermahlen Glasscherben, weil sie auf ihn warten.«
    Moyer erklärte weiter, das zwei Bosse des OV, des Organisierten Verbrechens, die Hartman verraten hatte, zurzeit in Stafford einsaßen. »Alle reden davon, dass Hartman dort keine Woche überleben wird.«
    Das
also war der Grund, warum er das Opfer, José Valdez, getötet hatte. Der arme Mann war der einzige Zeuge für eine Erpressungsklage gegen Hartman gewesen. Wäre Hartman deswegen verurteilt worden, hätte er mindestens sechs Monate in Stafford verbringen müssen – oder, wie es nun schien, so lange, bis seine Mitgefangenen ihn umgebracht hätten. Das erklärte den kaltblütigen Mord an Valdez.
    Doch Hartmans Empfang im Gefängnis war nicht Tribows Problem. Der Ankläger sah sich einer simplen Lebensaufgabe verpflichtet: für die Sicherheit im Bezirk zu sorgen. Diese Einstellung unterschied sich erheblich von der vieler anderer Staatsanwälte. Sie nahmen es persönlich, dass Kriminelle Verbrechen begingen, und verfolgten sie deshalb rachsüchtig und voller Wut. Für Tribow hingegen hatte der Job eines Anklägers nichts mit einem Revolverhelden gemein; es ging ihm nur darum, die Sicherheit im Bezirk zu gewährleisten. Er war weit mehr ins öffentliche Leben integriert, als es für Staatsanwälte üblich war. Er hatte zum Beispiel mit Kongressabgeordneten und den Gerichten zusammengearbeitet, als es darum ging, Gesetze auf den Weg zu bringen, die gerichtliche Verfügungen gegen gewalttätige Ehemänner erleichterten oder die obligatorische strafrechtliche Verurteilungen für jeden vorsahen, der zweimal rückfällig wurde, in der Nähe von Schulen und Kirchen eine Schusswaffe trug oder als angetrunkener Autofahrer an einem Unfall mit Todesfolge beteiligt war.
    Ray Hartman aus dem Verkehr zu ziehen, das war bloß ein weiterer Stein in dem Gebäude von Recht und Ordnung, dem Tribow sein Leben gewidmet hatte.
    Die Verurteilung dieses speziellen Mannes war allerdings ein besonders wichtiger Stein. In verschiedenen Phasen seines Lebens hatte Hartman auf Anordnung der Gerichte Therapien durchlaufen, und obwohl er jedes Mal als gesund entlassen worden war, hatten die Ärzte doch festgestellt, dass bei ihm nicht viel zu einem echten Soziopathen fehlte, dem menschliches Leben kaum etwas bedeutete.
    Dies spiegelte sich zweifellos in seinem Modus Operandi. Er war ein tyrannischer und kleinlicher Schläger, der neu Eingewanderten wie José Valdez Schutzgeld abpresste. Und Hartman würde zweifellos jeden einschüchtern oder töten, der drohte, gegen ihn auszusagen. Niemand war vor ihm sicher.
    »Hartman besitzt Geld in Europa«, sagte Tribow zu dem Cop. »Wer passt auf ihn auf, um sicherzustellen, dass er sich nicht absetzt?«
    Der Verdächtige war gegen eine Kaution von zwei Millionen Dollar entlassen worden, die er problemlos hinterlegt hatte. Außerdem hatte er seinen Reisepass abgeben müssen. Doch Tribow erinnerte sich an den zuversichtlichen Blick des Mörders, als er hier im Zimmer behauptet hatte: »Sie werden verlieren.« Er fragte sich, ob Hartman ihm damit unbewusst mitgeteilt hatte, dass er vorhatte, über die Grenze zu fliehen.
    Doch Detective Moyer – der sich bei den Keksen bediente, mit denen Tribows Frau ihren Mann wieder einmal zur Arbeit geschickt hatte – erklärte: »Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Er hat sämtliche Babysitter, die man sich wünschen kann. Zwei Mann rund um die Uhr. Sobald er die

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