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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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immer sie dort versteckt hatte, war fort.
    Hatte sie es mitgenommen? Hatte sie es ihrem Geliebten zu Weihnachten geschenkt?
    Aber nein, sie hatte es nicht mitgenommen; nach einer halben Stunde des Suchens an jedem denkbaren Platz im Zimmer, der als Versteck dienen konnte, hatte er gefunden, was er morgens gesehen hatte. Es war ein roter, versiegelter Umschlag für eine Weihnachtskarte. Nachdem er losgefahren war, hatte sie ihn aus der Schublade genommen und in die Tasche ihres schwarzen seidenen Morgenrocks gesteckt. Auf dem Umschlag stand weder Name noch Adresse.
    Er drückte den Umschlag an sich, und es schien ihm, als sei diese Karte ein glühender Metallbarren. Seine Finger brannten, und er konnte es kaum hochheben, so schwer schien ihm dieses Rechteck aus Karton. Er ging ins Bad und verschloss die Tür, nur für den Fall, dass Mary früher nach Hause käme. Er drehte den Umschlag immer wieder hin und her. Ein Dutzend Mal. Zwei Dutzend Mal. Er betrachtete ihn eingehend. Sie hatte die Lasche nicht richtig angeleckt; einen großen Teil konnte er weit genug lösen, um einen Blick hineinzuwerfen, doch eine Stelle war so fest zugeklebt, dass er sie nicht öffnen konnte, ohne das Papier zu zerreißen.
    Er wühlte unter dem Waschbecken herum und fand eine alte Rasierklinge. Dann verbrachte er eine halbe Stunde damit, vorsichtig den Klebstoff von der Lasche abzukratzen.
    Um halb sieben, als er noch einen guten halben Zentimeter vor sich hatte, klingelte das Telefon. Dieses eine Mal war er tatsächlich froh, Marys Stimme zu hören, die ihm ankündigte, dass sie später kommen würde. Sie sagte, sie hätte im Einkaufszentrum eine Freundin getroffen, mit der sie auf dem Nachhauseweg noch etwas trinken wollte. Dann fragte sie, ob Dennis ihnen Gesellschaft leisten wollte.
    Er entgegnete, dass er zu müde wäre. Dann hängte er ein und hastete zurück ins Bad. Zwanzig Minuten später kratzte er den letzten Rest Klebstoff vom Umschlag und öffnete mit zitternden Händen die Lasche.
    Er zog die Karte heraus.
    Auf der Vorderseite war das Bild eines Viktorianischen Paares, das sich an den Händen hielt und auf einen verschneiten Hinterhof hinausschaute, während rings herum Kerzen brannten.
    Er atmete tief ein und klappte die Karte auf.
    Sie war unbeschrieben.
    Und Dennis Linden begriff, dass alle seine Ängste begründet gewesen waren. Es gab nur einen einzigen Grund, jemandem eine leere Karte zu schenken: Die Angst, ertappt zu werden, hielt sie und ihren Geliebten davon ab, etwas aufzuschreiben – und sei es nur ein harmloser Gruß. Zum Teufel, jetzt, wo er darüber nachdachte, war eine unbeschriebene Karte viel schlimmer als eine beschriebene – die implizite Botschaft besagte, dass die Liebe und Leidenschaft so tief waren, dass diese Gefühle nicht in Worte gefasst werden konnten.
    Die kleinen Dinge…
    Irgendwas in seinem Hirn machte klick. Er wusste jetzt ohne jeden Zweifel, dass Mary
tatsächlich
jemanden traf und dass es wahrscheinlich schon seit Monaten so ging.
    Wen?
    Jemanden aus der Firma, darauf würde er wetten. Wie konnte er herausfinden, wer sie im September nach San Francisco begleitet hatte? Vielleicht sollte er bei der Firma anrufen, sich als Angestellter einer Fluggesellschaft ausgeben und nach Reiseunterlagen fragen. Oder als Buchhalter? Vielleicht sollte er auch einfach die männlichen Kollegen in ihrem Telefonverzeichnis anrufen…
    Zorn übermannte ihn.
    Dennis riss die Karte in Stücke, warf sie quer durchs Zimmer, ließ sich aufs Bett fallen und verbrachte die nächste halbe Stunde damit, an die Decke zu starren. Er versuchte, sich zu beruhigen.
    Doch er schaffte es nicht. Er spielte immer wieder die Möglichkeiten durch, die Mary gehabt hatte, ihn zu betrügen. Ihre Gebäckverkäufe in der Kirchengemeinde, ihre Fahrten zur Arbeit und zurück, ihre Mittagspausen, die Abende, an denen sie mit Patty (nun ja, sie
behauptete
, mit Patty) nach einem Einkaufsbummel und einem Theaterstück in der Stadt blieb…
    Das Telefon klingelte. War sie es, fragte er sich und griff nach dem Hörer. »Ja?«
    Nach kurzem Schweigen fragte Sid Farnsworth: »Den? Alles in Ordnung?«
    »Eigentlich nicht, nein.« Er berichtete, was er entdeckt hatte.
    »Bloß eine… eine unbeschriebene Karte, hast du gesagt?«
    »Oh ja, du sagst es.«
    »Und sie war an niemanden adressiert?«
    »Nein. Das ist es ja. Gerade deshalb ist es so schlimm.«
    Schweigen. Dann sagte sein Freund: »Ich sag dir was, Den… Ich denke, du solltest im

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