Todesreigen
ich.«
»Erzählen Sie es mir.«
Mit gerunzelter Stirn setzte Sandra May sich langsam in den Ledersessel mit der hohen Lehne. Wieder schaute sie aus dem Fenster.
»Also gut, was passiert ist… was passiert ist…«
»Beruhigen Sie sich, Loretta. Erzählen Sie es mir.«
»Sehen Sie, nachdem Sie gestern Abend gegangen sind, wollte ich Ihnen einige Unterlagen ins Büro bringen. Da hab ich ihn am Telefon gehört.«
»Mit wem hat er gesprochen?«
»Ich weiß nicht. Aber ich hab ins Büro geschaut und gesehen, dass er sein Handy benutzt hat. Nicht das Bürotelefon, wie gewöhnlich. Ich hab mir gedacht, dass er das Handy benutzt hat, damit wir nicht feststellen können, mit wem er telefoniert hat.«
»Lassen Sie uns keine voreiligen Schlüsse ziehen. Was hat er gesagt?«, fragte Sandra May.
»Er sagte, er stünde kurz davor, alles zu finden. Aber es würde nicht einfach sein, damit durchzukommen.«
»›Damit durchzukommen‹. Das hat er gesagt?«
»Ja, Ma’am. Genau, genau, genau. Dann sagte er, irgendwelche Aktien oder so etwas würde von der Firma gehalten, nicht ›von ihr persönlich‹. Und daraus könnten sich Probleme ergeben. Das waren seine Worte.«
»Und dann?«
»Oh, dann bin ich irgendwie gegen die Tür gestoßen. Er hat es gehört und schnell aufgelegt. Jedenfalls kam es mir so vor.«
»Das bedeutet nicht, dass er uns berauben will«, sagte Sandra May. »›Damit durchkommen‹. Vielleicht bedeutet es nur, das Geld aus den ausländischen Firmen herauszuziehen. Oder vielleicht meint er noch etwas völlig anderes.«
»Klar, vielleicht, Mrs. DuMont. Aber er hat reagiert wie ein verschrecktes Eichhörnchen, als ich ins Zimmer kam.« Loretta strich sich mit einem ihrer langen purpurroten Fingernägel übers Kinn. »Wie gut kennen Sie ihn?«
»Nicht gut… Glauben Sie, er hat die ganze Sache irgendwie arrangiert?« Sandra May schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein. Ich habe
ihn
gebeten, uns aus der Klemme zu helfen.«
»Aber wie sind Sie auf ihn gekommen?«
Sandra May verstummte. Schließlich sagte sie: »Er hat mich angesprochen… Na ja, sich an mich herangemacht, irgendwie. Im Pine Creek Club.«
»Und er hat Ihnen gesagt, er sei Geschäftsmann?«
Sie nickte.
»Dann«, führte Loretta aus, »könnte er gehört haben, dass Sie die Firma geerbt haben, und absichtlich dorthin gegangen sein, um Ihnen zu begegnen. Vielleicht gehört er auch zu den Leuten, mit denen Mr. DuMont Geschäfte gemacht hat – irgendwas, das nicht ganz in Ordnung war. Was Sie mir erzählt haben… mit diesen ausländischen Firmen.«
»Ich glaube das nicht«, protestierte Sandra May. »Nein, ich kann es nicht glauben.«
Sie blickte ins Gesicht ihrer Assistentin, das hübsch und ernsthaft wirkte, aber auch klug. Loretta sagte: »Vielleicht sucht er nach Leuten, die Probleme mit ihren Firmen haben; dann erscheint er auf der Bildfläche und – zack – nimmt sie aus.«
Sandra May schüttelte den Kopf.
»Ich behaupte ja nicht, dass es stimmt, Mrs. DuMont. Ich mache mir nur Sorgen um Sie. Ich will nicht, dass jemand Sie ausnutzt. Und wir alle hier… na ja, wir können es uns kaum leisten, unsere Jobs zu verlieren.«
»Ich will mich nicht wie eine ängstliche Witwe aufführen, die Angst vor dem Dunkeln hat.«
»Aber das hier ist vielleicht mehr als ein dunkler Schatten«, wandte Loretta ein.
»Ich hab mit dem Mann gesprochen, ich hab ihm in die Augen gesehen, Schätzchen«, erklärte Sandra May. »Wahrscheinlich kann ich Charaktere genauso gut einschätzen, wie meine Mama es konnte.«
»Das hoffe ich, Ma’am. Das hoffe ich für uns alle. Das hoffe ich.«
Sandra Mays Augen nahmen das Büro noch einmal in sich auf, die Bilder ihres Mannes mit den Fischen und Tieren, die er erbeutet hatte, die Bilder aus der frühen Zeit der Firma, der erste Spatenstich für die neue Fabrik, Jim im Rotary Club, Jim und Sandra May auf dem Wagen der Firma bei der Bezirksausstellung.
Ihr Hochzeitsfoto…
Schatz, zerbrich dir deinen hübschen kleinen Kopf doch nicht ich kümmere mich darum alles wird gut mach dir keine Sorgen mach dir keine Sorgen mach dir keine Sorgen…
Die tausendfach wiederholten Worte ihres Mannes hallten in ihrem Kopf nach. Sandra May ließ sich noch einmal in ihren Bürosessel sinken.
Am nächsten Tag fand Sandra May Bill Ralston im Büro über eine Bilanz gebeugt.
Sie legte ein Blatt Papier vor ihn hin.
Er nahm es und runzelte die Stirn.
»Was ist das?«
»Die juristische Vollmacht, von der du
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